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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Schauspiel. »Die Engländer waren einfach verblüfft«, berichtete Frederick Gjertsen, der Erste Offizier der Fram , später. »Sie hatten nie erwartet, dass Hunde vor einem Schlitten so laufen konnten, und begannen schon, an ihren guten alten Ponys zu zweifeln. Plötzlich brachen sie in Begeisterung aus, jubelten ihnen zu und winkten mit den Mützen. Unsere Treiber grüßten zurück und knallten mit den Peitschen.« Auch Amundsen gab sich den Briten gegenüber äußerst freundlich und lud Campbell, Kapitän Harry Pennell sowie den Arzt Dr. Levick zum Frühstück nach Framheim ein. Die ärgsten Konkurrenten seines Südpolunternehmens waren damit die ersten – und einzigen – Gäste im norwegischen Domizil auf dem Schelfeis. Zum Lunch erschien Amundsen dann in Begleitung seines Kapitäns Thorvald Nilsen und des Zweiten Offiziers Kristian Prestrud zum Gegenbesuch auf der Terra Nova . Die Gespräche zwischen den Parteien verliefen »in einer Atmosphäre enervierender Höflichkeit«, wie die Scott-Biografin Diana Preston schreibt. Beide Seiten bemühten
sich, die jeweils andere Partei möglichst dezent über deren Pläne auszuhorchen, ohne zu viel von den eigenen preiszugeben.
    Abb 71
    Die Norweger nutzten das Zusammentreffen mit den Briten für eine eindrucksvolle Demonstration ihrer Fahrkünste mit Hundeschlitten (4. Februar 1911).
    So erfuhren die Briten immerhin, dass Amundsen seinen Vorstoß zum Pol nicht sofort, sondern wie sein Konkurrent Scott erst im nächsten antarktischen Sommer plante. Ob er dazu komme, vor Einbruch des Winters noch Depots anzulegen, wisse er freilich nicht, behauptete Amundsen – und band seinen Rivalen damit einen dicken Bären auf. Doch auch Campbell verstand es, die Norweger hinters Licht zu führen: Als Amundsen sich beiläufig nach den Motorschlitten erkundigte, entgegnete der Engländer vieldeutig, dass einer von ihnen bereits auf »terra firma«, auf dem Festland,
sei. Campbell meinte den Schlitten, der im McMurdo-Sund versunken war und auf dem zweifellos festen Meeresgrund ruhte. Doch sein Gegenüber konnte es so verstehen, als ob ein Schlitten womöglich bereits die Eisbarriere überwunden hätte und zum Polarplateau vorgedrungen wäre. Bis zum Schluss sollten es gerade diese Motorschlitten bleiben, die Amundsen trotz des sicheren Gefühls der eigenen Überlegenheit immer wieder heftige Kopfschmerzen bereiteten.
    Abb 99
    Victor Campbell (rechts), der Kommandant der Terra Nova , machte als »Diplomat« eine gute Figur.
    Während der Unterredungen war die tiefe Enttäuschung Campbells zu spüren, King Edward VII.-Land nun nicht wie geplant erforschen zu können. Amundsen gab sich nobel und lud ihn ein, eine eigene Basisstation in unmittelbarer Nähe zu Framheim zu errichten. Doch der Norweger wusste, dass die Briten dieses Angebot eigentlich nur abschlagen konnten. Andernfalls wären sie wohl der eigenen moralischen Entrüstung über das Eindringen in einen fremden Herrschaftsbereich, das sie Amundsen ja insgeheim vorwarfen, in den Rücken gefallen. Campbell schien durchaus schwankend, doch seine Offiziere drangen auf eine klare Haltung: Den Vorschlag anzunehmen sei gegen die Etikette, meinte Priestley; und Bruce drang darauf, dass »das Verhältnis zwischen den beiden Expeditionen gespannt bleiben« müsse. Was wäre geschehen, wenn sich die Briten tatsächlich in der Bay of Whales niedergelassen hätten?
    »Jener 4. Februar 1911 war die einzige Chance, den tragisch verlaufenden Wettlauf zum Südpol zu beenden, noch ehe er richtig begann«, urteilt Rainer-K. Langner in seinem Buch Duell im ewigen Eis . »Hätten die Engländer ihre Landungsgruppe zur Erforschung des King Edward VII.-Lands neben Framheim abgesetzt, wäre nicht nur Amundsens Marschvorbereitung verlangsamt, sondern die Anwesenheit von Robert Falcon Scott
vor Ort durchaus wahrscheinlich geworden. Denkbar, dass damit aus der Rivalität eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit gewachsen wäre. Mit Sicherheit wäre Scott die tiefe psychologische Erschütterung erspart geblieben, nur als Zweiter am Südpol zu stehen. Die Gunst der Stunde aber wurde nur allzu leichtfertig einem nationalen Anspruchsdenken geopfert und dem Erwartungsdruck, der auf Scott lastete.« So verabschiedeten sich Briten und Norweger am Nachmittag in noch immer ausgeprägter Höflichkeit voneinander, doch schieden sie endgültig als Rivalen. Gegen drei Uhr lichtete die Terra Nova ihre Anker und entfernte sich langsam aus der Bay of

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