Der Wettlauf zum Suedpol
Lager in einem Zustand des Gehetztseins, der an Panik grenzte«, erinnerte sich Cherry-Garrard, einer der Ponyführer. »Es war notwendig, die Ponys zwischen den Lavabrocken hinaufzuführen, die auf dem Steilhang des Erebus lagen, und sie von dort einen Trümmerhang hinunter zum Eis zu schieben, das dort noch verblieben war. Tatsächlich löste sich auch das am darauf folgenden Tag und schwamm davon.«
Die Karte zeigt die problematische Lage des britischen Basislagers am Kap Evans: Um auf das Ross-Schelfeis zu gelangen, mussten erst etwa 25 Kilometer auf dem Meereis überwunden werden.
Auf einem Eisrest südlich der Gletscherzunge trafen die beiden Gruppen wieder glücklich aufeinander und hatten nun, ehe auch noch die letzten Reste des Eises verschwunden waren, die Ladung der Terra Nova in ein eilends improvisiertes Lager am Rande der Eisbarriere zu schaffen. Diese Arbeit nahm weitere vier Tage in Anspruch, während denen die Männer in Zelten auf dem Eis übernachten mussten. Obwohl sie danach fast alle vollkommen ausgelaugt und erschöpft waren, sollte nach Scotts Willen nun umgehend damit begonnen werden, entlang der Route über das Schelfeis Depots für die Tour zum Pol anzulegen.
Diese Vorratslager stellten in der Eiswüste der Antarktis einen überlebenswichtigen Faktor dar. Fast 1400 Kilometer Luftlinie, eine Strecke wie von Hamburg bis nach Rom, waren von Hut Point bis zum Pol zu überwinden – eine viel zu große Distanz, als dass man alle notwendigen Vorräte hätte mit sich führen können. An strategisch wichtigen Punkten mussten deshalb vor Einbruch des antarktischen Winters erhebliche Mengen Nahrung, Tierfutter und Brennstoffe eingelagert werden, auf die man dann einige Monate später während des Marschs zum Pol zurückgreifen konnte.
Zwei Tage vor dem geplanten Aufbruch teilte Scott den Offizieren bei einer Besprechung seinen Entschluss mit, mit Proviant für fünf Wochen loszuziehen und nach 12 bis 13 Tagen ein großes Depot mit einem Vorrat für zwei Wochen anzulegen. Am Vormittag des 2. Februar setzte sich die Karawane mit 13 Mann, acht Ponys und 26 Hunden erstmals in Bewegung. Wie auch an den darauf folgenden Tagen zogen zunächst die von den Ponys gezogenen Schlitten los, da sie stets langsamer vorwärts kamen als die Hunde. Nach einiger Zeit machten sich dann auch die Hundeschlitten auf den Weg, um, so die Hoffnung, zur gleichen Zeit wie die Ponys an zuvor festgelegten Haltepunkten einzutreffen. Doch das klappte nur selten; Missverständnisse und Verwirrung waren an der Tagesordnung.
Wie sich rasch zeigte, hatten vor allem die Ponys auf dem weichen und nachgiebigen Boden des Schelfeises große Probleme: Immer wieder versanken sie im tiefen Schnee, und die Schlitten kamen kaum einen Meter voran. Die Verwendung von Ponyschneeschuhen, mit Bambus umwickelten Drahtgeflechten, wirkte in dieser Lage wahre Wunder. Leider war beim hektischen Aufbruch von Kap Evans jedoch gerade mal ein Paar eingepackt worden, und einem hastig zurückgeschickten Trupp blieb nur die Feststellung, dass das Eis im McMurdo-Sund inzwischen ganz weggeschmolzen und die Verbindung zum Basislager damit endgültig unterbrochen war. »Es muss nun also ohne Ponyschuhe gehen!«, gab sich Scott optimistisch, doch wurde er bald eines Besseren belehrt.
Die Gruppe kämpfte sich zunächst nach Osten bis auf die Höhe von Kap Crozier voran, weil Scott auf dem direkten Weg nach Süden zahlreiche Gletscherspalten im Schelfeis fürchtete, das in diesem Bereich an die Landmassen der Rossinsel und des Royal-Society-Gebirges stößt und damit erhöhten Belastungen ausgesetzt ist. Bei einer als »Corner Camp« bezeichneten Stelle sollte dann südlich abgebogen werden. Ehe es jedoch so weit war, hielt ein Schneesturm die Gruppe drei Tage in ihren Zelten gefangen. »Es bläst ein wilder Sturm; die Luft ist voll von fallendem Schnee, und der Wind treibt die Flocken durch die Luft und fügt sie dem losen Schnee hinzu, der auf der Oberfläche der Barriere liegt«, schilderte Cherry-Garrard seine Eindrücke von dem »rasenden Chaos« dieser Tage. »Verlässt du das Zelt nur ein paar Schritte, bist du verloren. Man verliert den Orientierungssinn, und es gibt keinen Weg mehr zurück. Setzt man Gesicht und Hände dem Wind aus, so werden sie sehr bald erfroren sein.« Während sich die Hunde am Boden zusammenrollten und den Blizzard vollkommen unbeschadet überstanden, hatten einmal mehr die Ponys zu leiden, die Schnee und Wind nahezu
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