Der Wettlauf zum Suedpol
Whales.
Aufbruch der Hundeschlitten
Wären die Briten vor Ort geblieben, so hätten sie beobachten können, dass die Norweger keineswegs noch unschlüssig über die Anlage von Versorgungsdepots für die Reise zum Südpol waren – im Gegenteil: Amundsen hatte bereits im Vorfeld einen detaillierten Plan ausgearbeitet, der von Framheim ausgehend entlang des 164. westlichen Längengrads die Anlage von Depots auf jedem Breitengrad vom 80. bis zum 83. vorsah, also etwa alle 110 Kilometer. Mehr als ein Drittel des Wegs zum Pol wäre auf diese Weise schon vor Einbruch des Winters gesichert worden. Am 10. Februar verabschiedete sich Amundsen von der Mannschaft der Fram , die in den nächsten Tagen die Bucht der Wale verlassen sollte, und machte sich mit drei Gefährten, drei Schlitten, 18 Hunden und einer halben Tonne Verpflegung auf den Weg.
Prestrud fungierte auf seinen Skiern als Vorläufer, denn die Hunde brauchten jemanden, dem sie nachtrotten konnten. Die übrigen Männer bildeten, ebenfalls auf Skiern, die Kontroll- und Begleitmannschaft der Gespanne. Jeder Schlitten war mit einem Kompass ausgerüstet, und die Männer konnten auf diese Weise immer den Kurs kontrollieren. Die Norweger waren angenehm überrascht, wie gut sie vorankamen – die in den Berichten von Scott und Shackleton geschilderte mörderische Eisbarriere erschien ihnen kaum anders als jeder beliebige Gletscher in der Heimat. Dies wird auch aus den Tagebucheinträgen Amundsens ersichtlich:
»11. Februar – Die Hunde ziehen prächtig und das Fahren auf der Barriere ist ideal. Verstehe nicht, wenn die Engländer sagen, dass Hunde hier nicht verwendet werden können.… 13. Februar – Unser Skilaufen war herrlich. Wie allerdings Menschen (zu Fuß) und Pferde bei diesen Schneeverhältnissen durchkommen sollen, weiß ich nicht, von einem Auto ganz zu schweigen. … 15. Februar – Das war eine großartige Leistung von unseren Hunden: gestern 40 geografische Meilen, davon zehn mit schwerer Ladung, und dann heute 51½. Ich denke, sie können sich mit den Ponys messen.«
Schon nach fünf Tagen hatten sie ihr Ziel am 80. Breitengrad erreicht, das Depot eingerichtet und konnten sich auf den Rückweg machen, wobei sie sowohl das Lager als auch die Streckenführung sorgfältig kennzeichneten. So steckte Amundsen nicht nur eine Fahne auf das Depot, sondern markierte dessen Lage auch quer zur Route, indem er in einem Bereich von neun Kilometern links und rechts des Depots jeweils zehn Fähnchen oder Kistenbretter verteilte, auf denen sogar die Entfernung zum Vorratslager angegeben war. Zurückgekehrt nach Framheim, feilten die Männer an ihrer Ausrüstung – unter anderem hatten sich die Skistiefel als zu eng erwiesen – und brachen dann am 23. Februar erneut auf.
Diesmal waren acht Mann und sieben Schlitten mit von der Partie; jedes Gefährt trug 300 Kilogramm. Diese Tour wurde zu einer größeren Herausforderung als die erste. Nach drei Tagen geriet die Gruppe in ihren ersten Schneesturm, der freilich die Hunde viel weniger beeinträchtigte als Scotts Ponys. Am 3. März gelangten die Männer zum 81. Breitengrad und legten ihr nächstes Depot an. Danach kehrte ein Teil des Teams um, während Amundsen, Prestrud, Hansen, Wisting und Johansen weiter vorstießen. Das Vorwärtskommen bereitete ihnen jedoch immer mehr Mühe, da die Temperaturen von 40 Grad Celsius unter dem Gefrierpunkt einerseits den Menschen schwer zusetzten und andererseits auch die Hunde zusehends schlappmachten. Auf der langen Schiffsreise waren die Tiere nur mit Konservennahrung gefüttert worden und hatten danach trotz des reichlich vorhandenen frischen Robben- und Pinguinfleischs noch nicht wieder ihre alte Leistungsfähigkeit erreicht. Zudem war an Bord die natürliche Hornhaut unter ihren Pfoten verschwunden, sodass sie sich nun auf dem eisigen Gelände der Barriere immer mehr wund liefen. Am 8. März war der 82. Breitengrad erreicht, und Amundsen entschied, dass es klüger sei, sämtliche mitgeführten Vorräte an dieser Stelle zu hinterlassen und auf die Fortsetzung des Weges zum 83. Breitengrad zu verzichten. »Das war das Äußerste, was die Hunde leisten konnten«, schrieb er ins Tagebuch. »Die armen Tiere waren völlig erschöpft. Dies ist meine einzige trübe Erinnerung an den Aufenthalt dort im Süden – dass diese prächtigen Tiere so überanstrengt wurden. Ich hatte mehr von ihnen verlangt, als sie leisten konnten. Mein einziger Trost ist, dass ich mich selbst auch nicht
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