Der Wettlauf zum Suedpol
einem leeren Benzinbehälter bestückt werden – in der Antarktis wird nichts zurückgelassen. Grundsätzlich aber gilt: »Wenn du hier auf die Toilette gehst, musst du in erster Linie eins sein – nämlich schnell«, erklärt Markus Lanz. »Wenn du nicht schnell bist, wird es verdammt kalt.« Doch Not macht erfinderisch: Die Teams errichten Wände aus Schneeblöcken, die als »stilles Örtchen« dienen und zumindest den eisigen Wind für einige Momente abhalten. Weil das viel zu dünne Toilettenpapier dennoch immer wieder vom Winde verweht wird, praktiziert der eine oder andere »Wasserspülung« der frostigen Art.
Das Ende eines anstrengenden Tages bildet wieder die sogenannte Zeltroutine. Abermals brauchen die Teams ungefähr drei Stunden, um das Zelt aufzubauen (5 Minuten) und dann Schnee zu schmelzen (175 Minuten). Währenddessen schälen sie sich aus den zum Teil durchschwitzten Klamotten, mümmeln an dem ungeliebten Expeditionsfutter herum und schlürfen als Highlight des Tages einen Becher heißen Kaffee oder Schokolade.
Dann machen sie es sich in dem engen Zelt so bequem wie möglich und versuchen zu schlafen. Während es zunächst in den Zelten noch bitterkalt ist und nur der Wind endlich einmal draußen bleibt, ändert sich das mit der Zeit. Die Körperwärme von vier schwer arbeitenden Menschen und die permanente Sonneneinstrahlung heizen die Zelte relativ stark auf – was sich in ihrem Inneren
vor allem auf die Luftqualität niederschlägt, aber auch die Temperatur steigt über null. An Lüften ist freilich nicht zu denken, denn sofort würde die Temperatur wieder fallen – und all das macht es nicht eben gemütlicher. Daran, richtig auszuschlafen, ist unter solchen Bedingungen nicht zu denken. Es gilt nur: »Weiter, weiter, immer weiter!« – so die Parole von Hermann Maier, der dem österreichischen Team nur so viel Schlaf wie nötig zugesteht. In der Regel sind das vier bis fünf Stunden, ehe die nächste Etappe in Angriff genommen wird. Der andauernde Sonnenschein und die Kälte im Gesicht tragen dazu bei, dass die Rennteams die dauernde Übermüdung nicht ganz so stark spüren.
Abb 119
Stilles Örtchen im ewigen Eis: Manchmal gibt es zumindest eine Schneemauer.
Insgesamt war der Einsatz der Motorschlitten ein Misserfolg. Doch nicht das Prinzip war falsch. Zutreffenderweise sagte Scott Maschinen dieser Art eine große Zukunft in polaren und subpolaren Weltregionen wie Kanada oder Grönland voraus und drängte den Hersteller der Schlitten, seine Patentrechte einwandfrei schützen zu lassen. Der Fehler lag vielmehr darin, dass die Gefährte nur unzureichend getestet worden waren und Mängel deshalb nicht schon vor der Reise in die Antarktis ausgemerzt wurden. Möglichkeiten dazu gab es – nur hätte man dazu eben auf die Gebirgsgletscher Norwegens fahren müssen und nicht in das bequem per Bahn zu erreichende Lillehammer. Zudem erwies sich die Ausbootung von Skelton, der die Fahrzeuge mitentwickelt hatte, als Bumerang. Skelton kannte die Schwachpunkte der Konstruktion und hätte vermutlich auch das passende Werkzeug und die richtigen Ersatzteile mitgenommen – an allen diesen Dingen mangelte es jetzt.
Während die Motorgruppe ihre Lasten jetzt also selbst ziehen musste, setzten Scott und seine Begleiter ihren Weg mit den Ponys fort. Sie waren dabei zu Nachtmärschen übergegangen: zum einen, weil der Untergrund dann fester war, und zum anderen, weil die Pferde auf diese Weise nicht in der prallen Sonne laufen mussten. Denn obwohl die Temperaturen auch tagsüber weiterhin weit unter dem Gefrierpunkt blieben, wärmte die Sonne durchaus, und die Pferde schwitzten, wenn sie ihre Lasten zogen. Hielten sie dann jedoch an, so gefror der Schweiß sofort in der eiskalten Luft, und die Tiere zitterten umgehend am ganzen Körper. Also zog man fortan um Mitternacht los, aufgeteilt in drei Gruppen: Zuerst machten sich die drei langsamsten Ponys, genannt die »baltische Flotte«, auf den Weg. Zwei Stunden später folgte Scott mit zwei Begleitern und drei Ponys, eine weitere Stunde darauf die letzten vier.
Hier hatte sich insbesondere der ungestüme Christopher zum Problemfall entwickelt. Um das Tier anzuschirren, waren mehrere Männer notwendig. Man musste ihm die Vorderbeine zusammenbinden und es danach zu Boden ringen, wobei es dennoch immer wieder heftig nach hinten auskeilte. Stand Christopher dann erst einmal im Geschirr, so begann er sofort loszulaufen und war nicht mehr zu halten. Diese Gruppe
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