Der Wettlauf zum Suedpol
lösen, sodass mit einem Pferd zugleich wohl auch der Schlitten verloren gegangen wäre.
Die Arbeit mit den Ponys war ein Knochenjob. Nicht nur das Temperamentsbündel Christopher ging gelegentlich durch, was dann regelmäßig den ganzen Haufen in Unordnung brachte. Doch das war noch das geringste Übel. Während die Hunde in der Kälte für sich selbst sorgen konnten und sich während der Marschpausen oder an den Lagerplätzen einfach Kuhlen in den Schnee gruben, brauchten die Ponys stets jemanden, der sich um sie kümmerte. Nach oftmals sieben, acht Stunden anstrengenden Trecks hieß das, dass die Männer die Tiere trockenreiben und ihnen Decken umhängen mussten, weil die Ponys sonst sofort froren. Sie bauten Schneewälle zum Schutz gegen den Wind, doch die Pferde stießen die Wände oft genug wieder um. An stürmischen Tagen mussten die Tiere regelmäßig aus dem Schnee gegraben werden. Auch die Fütterung
verlief selten reibungslos: Einige Tiere schüttelten ihre Futtersäcke immer wieder ab, andere versuchten beharrlich, an das Futter ihrer Kameraden zu gelangen, was dann ebenfalls für Unruhe sorgte. Manchmal blieben den Männern kaum vier Stunden Schlaf.
Die allgemeine Misere mit den Ponys schlug schon bald auf die Laune. »Wir sind in sehr gedrückter Stimmung«, vertraute Scott bereits am 12. November seinem Tagebuch an, und einen Tag später notierte er: »Im Lager geht es schweigsam und niedergeschlagen zu, ein Zeichen, dass es schlecht steht.« Es kam zu Streitigkeiten, vor allem zwischen Scott und Oates. Aber auch Scotts treuer Diener Bowers musste sich plötzlich Vorwürfe seines Chefs gefallen lassen, er habe die Schlitten zu schwer beladen oder würde die Futterrationen der Pferde falsch zuteilen. »Als ich im Lager ankam, war ich nicht überrascht festzustellen, dass Scott an einer Depression litt«, so Bowers. »Er meinte, dass bei der Planung des Grünfutterverbrauchs seine eigene Einheit nicht auf die gleiche Weise behandelt worden wäre wie die unsere, ja, tatsächlich klagte er mich an, seine drei Pferde für mein eigenes zu opfern. Nach dem Essen gingen wir die Ladungen im Detail durch und beschlossen nach einer kleinen Streiterei, so weiterzumachen wie bislang. Ich kann seine Gefühle durchaus verstehen, denn nach unserer Erfahrung vom letzten Jahr bringt ihn ein schlechter Tag wie der heutige dazu, zu fürchten, dass unsere Tiere uns im Stich lassen werden.«
Am 21. November trafen Scott und seine Männer hinter dem 80. Breitengrad auf die ehemalige Motorgruppe. Teddy Evans und seine drei Begleiter hatten ihre Lasten seit dem Zusammenbruch ihrer beiden Motorschlitten am Corner Camp selbst gezogen und waren dennoch schon sechs Tage zuvor am vereinbarten Treffpunkt auf 80°30’ angekommen. Die Wartezeit hatten sie sich mit dem Bau einer gewaltigen, viereinhalb Meter hohen Schneepyramide totgeschlagen, die scherzhaft »Mount Hooper« genannt wurde. Die Männer litten unter Hunger, da ihre Lebensmittelrationen nicht für das »Man-hauling«, das Schlittenziehen mit eigener Körperkraft, berechnet waren. Auch bei den Briten war Pemmikan die Grundlage der Ernährung und wurde meist mit Zwieback und weiteren verfügbaren Zutaten zu einem eintopfähnlichen sogenannten »Hoosh« verkocht. Die Rationen waren zwar nicht größer, doch abwechslungsreichen als die der
Norweger – so enthielten sie Zucker, Butter, Tee und Kakao. Scott schien erstaunt, dass die Verpflegung der Ponyführer oder Motorschlittenlenker nicht auch für die Männer ausreichte, die schwere Zugarbeit leisten mussten. Er gab sich dennoch optimistisch, dass die Rationen für den weiteren Vormarsch genügten, selbst wenn der Gletscher nun ohne Ponyunterstützung erstiegen werden musste. »Trotzdem werden wir zweifellos bald alle Hunger zu spüren bekommen«, notierte er lakonisch. Er konnte noch nicht ahnen, wie recht er mit seiner Prognose haben sollte.
Abb 109
Die Ponys waren den Treibern zwar ans Herz gewachsen, mussten jedoch schon vor dem Aufstieg zum Gletscher erschossen werden.
Ab jetzt brach die Karawane, die 16 Mann in drei verschiedenen Transportkategorien – Menschen, Pferde und Hunde – umfasste, an jedem Tag zu fünf unterschiedlichen Zeiten auf. Zuerst gingen die Schlittenzieher der ehemaligen Motorgruppe los, dann folgten in den gewohnten Abständen die drei Ponyabteilungen, und Stunden später machten sich auch die beiden Hundegespanne auf den Weg. »Die Hunde erledigen den gesamten Marsch in drei Stunden,
Weitere Kostenlose Bücher