Der Wettlauf zum Suedpol
Deutschen weiter auf ihr Wundermittel Peronin setzen, haben die Österreicher zahlreiche Energieriegel eingepackt. Während des Marschs essen die Teams aus kleinen Day Bags, die Schokolade, Nüsse, Käse und Trockenfleisch
enthalten. Dieses Biltong genannte Fleisch mit seiner fast kaugummiartigen Konsistenz bewirkt, dass die Rennteilnehmer den ganzen Tag am Kauen sind – was nicht nur den Hunger eindämmt, sondern auch über die Eintönigkeit des Gehens hinweghilft.
Wichtig ist aber nicht nur das Essen, sondern vor allem auch das Trinken, davor wurden sie im Vorhinein mindestens so sehr gewarnt wie vor Erfrierungen. Ohne ausreichende Flüssigkeitszufuhr droht den Wettkämpfern die Gefahr der Dehydrierung. Einfach einen Getränkekanister mit auf die Südpolreise zu nehmen, wäre freilich keine gute Idee: Abgesehen davon, dass die Flüssigkeit ohne ausreichende Isolierung sofort einfrieren würde, wäre es den Rennteilnehmern unmöglich, das zusätzliche Gewicht zu schleppen. Zudem gibt es ja genug bestes und sauberstes Wasser in der Antarktis – wenn auch in gefrorener Form.
Abb 120
Die tägliche notwendige Menge Schnee zu schmelzen ist ein mühsames Geschäft.
So müssen die Teams einen Großteil ihrer Pausen darauf verwenden, Schnee zu schmelzen – und das braucht seine Zeit. Der äußerst trockene Schnee muss immer wieder in einen Topf gefüllt werden. Dann dauert es fast eine halbe Stunde, bis das Wasser endlich kocht – allerdings nur in einer Menge, die gerade für eine Person ausreicht. Mindestens zwei Liter benötigt jeder am Tag – für das Müsli, das mit Trockenmilch angerührt wird, für die Getränke im Zelt, für das Peronin und für die Thermosflasche unterwegs. Acht Liter Wasser aus geschmolzenem Schnee pro Team zu schmelzen – fürwahr keine leichte Aufgabe und wie so vieles bei diesem Rennen fürchterlich eintönig und eine echte Geduldsprobe.
Abb 133
18. November 1911: »Der schreckliche Aufstieg« der Norweger ins Gebirge, wie ihn sich der Illustrator Andreas Bloch als Postkartenmotiv vorstellte.
Sie drangen weiter in das Gebirge vor. Nach einem erneuten steilen Anstieg ging es zunächst wieder schräg nach unten, wobei Seile um die Kufen gewickelt werden mussten, damit die Schlitten nicht zu schnell wurden und mitsamt ihrer Fracht ins Tal sausten. »Die Kunst bestand darin, zu wissen, wie oft man das Seil herumwickeln musste, um die richtige Bremse zu haben«, so Amundsen. »Das gelang nicht immer, und die Folge davon war, dass mehrere Zusammenstöße erfolgten, ehe wir den Abstieg vollendet hatten. Besonders einer der Herren schien eine ausgesprochene Verachtung für diese Art Bremsen zu hegen; man konnte ihn mit Blitzesschnelle davonfahren und seinen Vordermann mit sich reißen sehen« – wobei klar war, dass er den tempoverliebten Skisportler Bjaaland damit meinte. Dieser konnte sich jedoch bald wieder auszeichnen, indem er auf den nun folgenden steilen Aufstiegen die Rolle des Vorläufers vor dem ersten Hundeschlitten übernahm. »Man merkte, er hatte schon mehr Höhen erstiegen«, so Amundsen anerkennend. Einmal mussten sogar alle 42 Hunde vor einen Schlitten gespannt werden, so steil ging es nach oben.
Noch immer hatten sie das Schlimmste nicht überstanden, denn bald mussten sie erkennen, dass sich quer zu ihrer Laufrichtung ein gewaltiger Gletscher mit zahlreichen großen, unheimlichen Spalten erstreckte. Doch es half nichts: Wollten sie das Plateau erreichen, so mussten sie diesen Gletscher – den Amundsen später nach Axel Heiberg, einem Gönner seiner Expedition, benannte – erklimmen. Zunächst mussten sie wieder bergab, und dann begann der mühevolle Aufstieg mit mehreren steilen Absätzen. »Die Hitze war geradezu lästig«, so Amundsen, »trotz der leichten Kleidung schwitzten wir, als wären wir an einem Wettlauf in den Tropen beteiligt.« Erneut kamen sie nur mit doppelten Gespannen voran; immer wieder mussten auch Kundschafter ausgeschickt werden, weil sich viele Wege in einem Gewirr von großen Gletscherspalten und wilden Zerklüftungen als nicht gangbar erwiesen. Dennoch gewannen sie an Höhe und schlugen am Abend des 20. November ihr Lager bereits auf 1650 Metern über dem Meeresspiegel auf.
Wieder unternahm Amundsen mit zweien seiner Männer eine Erkundungstour, und sie kletterten noch einmal 750 Meter empor, wo sie die beglückende Entdeckung machten, dass von dort aus die Hochebene schon zum Greifen nah war. Auf dem Rückweg zum Lagerplatz bot
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