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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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und für den Rest des Tages haben Meares und Dmitrij wenig anderes zu tun«, schrieb Bowers in sein Tagebuch. »Die Hunde leisten Hervorragendes. Wenn man sieht, wie gut unsere beiden
Teams waren, muss ich sagen, dass Amundsens Chancen, uns mit seinen 120 Hunden zuvorzukommen, gut stehen.« Bowers war nicht der Einzige, der in diesen Tagen an Amundsen dachte, doch der offizielle Maßstab war ein anderer – Shackleton. Weil man die Ponys unbedingt über den Punkt hinausbringen wollte, an dem Scotts Rivale sein erstes Pony töten musste, wurde auch Jehu – das »abgewrackteste all unserer Wracks«, so Cherry-Garrard – weiter mitgeschleppt. Erst am 24. November bekam es den Gnadenschuss – ein paar Meilen südlich der ominösen Stelle.
    Von diesem Punkt an wurde alle zwei, drei Tage ein Pony erschossen – was deren Treibern meist das Herz brach. »Der gute alte Viktor! Er bekam immer einen Zwieback aus meiner Ration, und er fraß seinen letzten, ehe ihn die Kugel ins Jenseits beförderte«, klagte Bowers, als sein Pony an der Reihe war. »Es tut mir leid um das Tier, das so lange Zeit mein ständiger Begleiter und meine ständige Sorge war. Auf jeden Fall hat er seinen Anteil an unserem Unternehmen, und ich hoffe, dass der meine ebenso gut sein wird, wenn ich mich jetzt ins Geschirr einspanne.« Auch Exzentriker Christopher sorgte noch einmal für Aufruhr, als sein letztes Stündlein schlug: Er riss sich während der Exekution los, galoppierte mit einer Kugel im Kopf durchs Lager und biss noch einem Mann in den Arm, ehe er eingefangen und endgültig liquidiert werden konnte.
    Das Pferdefleisch besserte die kargen Rationen der Männer auf; der Rest wurde an die Hunde verfüttert, die nach Scotts ursprünglichen Plänen eigentlich längst hätten umkehren sollen. Doch da ihre Leistungsfähigkeit inzwischen auch ihm imponierte, beschloss er, sie zunächst weiter mit nach Süden zu nehmen. Diese Entscheidung hatte freilich Folgen, deren letztendliche Auswirkungen möglicherweise nicht richtig bedacht wurden. Zum einen war für die Hunde kein Futter mehr eingeplant – es mussten also Ponys getötet werden, um als Fleischlieferanten herzuhalten. Die stärksten und geduldigsten Ponys hatten sich kräftemäßig – so schien es – inzwischen jedoch einigermaßen erholt, sodass man durchaus hätte versuchen können, ihre Zugkraft zumindest für einen Teil des Gletscheraufstiegs zu nutzen. Da sich Scott jedoch zuvor gegen den Aufstieg mit den Ponys entschieden hatte, war auch der größte Teil des Pferdefutters im Norden zurückgelassen worden. Aus diesem Grund hatten die Ponys nun ebenfalls nicht mehr genug zu fressen und mussten schon allein deshalb getötet werden. Auch stand es in den Sternen, ob die
Hunde, wenn sie so weit nach Süden vordrangen, ihre eigentlich für sie vorgesehenen Aufgaben noch erfüllen konnten. Ihnen war nämlich eine wichtige Rolle bei der Ergänzung der Nahrungsmitteldepots für die Rückkehrergruppe vom Pol zugedacht. Dafür jedoch mussten die Tiere jedoch zunächst einmal heil nach Kap Evans zurückkommen.
    Abb 104
    Abb 110
    Erschöpfte Ponys der Briten, die ohne ihre »Schneeschuhe« tief in den Schnee einsanken und deshalb mit den Schlitten nur mühsam vorwärts kamen.
    Es war eine äußerst vertrackte Situation, die sich in den ersten Dezembertagen gleichwohl weiter zuspitzte. Am 3. Dezember schlug das Wetter nach einigen guten Tagen wieder um, und ein heftiger Sturm warf endgültig alle Planungen über den Haufen. »Wir erwachten heute früh bei wütendem Schneesturm«, trug Scott am 5. Dezember in sein Tagebuch ein. »Eine Minute im Freien, und man ist von Kopf bis zu Fuß mit Schnee bedeckt. Dabei ist die Temperatur so hoch, dass alles kleben bleibt. Die Ponys stehen tief im Schnee, und Kopf, Schwanz, Beine und jedes Fleckchen, das nicht durch die Decke geschützt wird, ist wie mit Eis überzogen. Die Schlitten sind fast unsichtbar, und hohe Schneewehen ragen über die Zelte. Nach dem Frühstück haben wir die Schutzwälle wieder aufgeschaufelt
und stecken jetzt von Neuem in unseren Schlafsäcken. Bei solchem Wetter zu marschieren, und nun gar dem Sturm entgegen, ist natürlich ausgeschlossen!«
    Abb 146
    Gegen die bittere Kälte: Edgar Evans, Bowers, Wilson und Scott wärmen sich bei einer Tasse Tee in ihrem Zelt.
    Die Männer zogen sich in ihre Zelte zurück, doch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt durchweichte sie der feuchte Schnee augenblicklich. Das Wasser tropfte von den

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