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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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sich
ihnen, wie Amundsen schrieb, »ein schauerlich großartiger Anblick dar. Auf allen Seiten von ungeheuren Spalten und gähnenden Abgründen umgeben, sah unser Zeltplatz wirklich nicht sehr einladend aus. Der Eindruck, den diese wilde Landschaft auf den Beschauer macht, lässt sich nicht mit Worten wiedergeben. Loch an Loch, Spalte an Spalte, dazwischen große Eisblöcke, alles durcheinander – unwillkürlich musste man denken, dass hier die Natur die größere Gewalt habe. Hier nützte kein Vordringenwollen! Nicht ohne eine gewisse Befriedigung betrachteten wir die Landschaft. Der kleine dunkle Fleck da unten – unser Haus – mitten in diesem Chaos, gab uns das Gefühl von Stärke und Kraft.« Das Donnern zahlreicher mächtiger Lawinen lieferte die passende Begleitmusik.
    Der folgende Tag wurde für die Männer und die Hunde zu einer einzigen Schinderei. Im losen Schnee ging es nur mühsam voran; und noch wussten sie nicht, ob der letzte Teil der Strecke, den sie am Vorabend nicht hatten erkunden können, wirklich begehbar war. Die Freude war groß, denn er stellte sich als langer und gleichmäßiger, wenn auch streckenweise sehr steiler Anstieg heraus. »Die Hunde schienen förmlich zu verstehen, dass dies die letzte Riesenanstrengung war, die man von ihnen forderte«, schrieb Amundsen. »Sie streckten sich ganz flach aus und zogen, zogen, sie krallten sich fest und zogen sich hinauf. Aber ein klein wenig verschnaufen musste man sie doch lassen, und da wurden die Kräfte der Lenker auf eine harte Probe gestellt. Es ist wahrlich keine Kleinigkeit, einen so schwer beladenen Schlitten einmal ums andere in Gang zu setzen. Wie sie sich diesen Berg hinauf abschinden mussten, beide, Menschen und Tiere! Aber sie kamen doch vorwärts, Zoll für Zoll, bis der steilste Teil überwunden war.«
    Erst um acht Uhr abends schlugen sie an diesem 21. November ihr Lager auf. In zwölf Stunden hatten sie 31 Kilometer zurückgelegt und einen Höhenunterschied von 1600 Metern überwunden – eine außerordentliche Leistung. Binnen nur vier Tagen war es ihnen gelungen, von der Eisbarriere zum Polarplateau hochzusteigen – und das in einem vollkommen unbekannten Gelände, das auf keiner Karte verzeichnet war. Amundsen hatte Glück, denn er war auf die Stelle getroffen, an der das Transantarktische Gebirge am schmalsten ist. Nur einige Kilometer zur einen oder anderen Seite hin – und das ermüdende Auf und Ab zwischen Berghängen
und Gletschern hätte sich weitaus länger hingezogen. Dennoch hatte der Gipfelsturm mehr Mühen gekostet als notwendig: Wären die Männer auf ihrem ursprünglichen Kurs geblieben und hätten ihre Schlitten in die zunächst favorisierte Bucht gesteuert – die, wie sich nun herausstellte, vom unteren Ausläufer des Axel-Heiberg-Gletschers gebildet wurde –, so hätten sie sich die ersten beiden anstrengenden Tage des Aufstiegs wohl zumindest etwas erleichtern können. Amundsen war trotzdem zufrieden: Zehn Tage hatte er eingeplant, um auf das Polarplateau zu gelangen; nach nicht einmal der Hälfte der Zeit stand er mit seinen Männern schon dort oben.
    Es war keine Frage, wer den größten Anteil an dieser Leistung hatte – seine Hunde. Und doch musste das längst beschlossene Urteil an ihnen vollzogen werden. Amundsen, der kein Gespann führte, verkroch sich ins Zelt. »Viel hurtiger als sonst wurde an diesem Abend der Primuskocher angezündet und bis zum Hochdruck Luft hineingepumpt. Ich hoffte, dadurch recht viel Lärm hier drinnen zu machen, damit ich die Schüsse nicht hören würde, die draußen bald knallen mussten. 24 unserer tüchtigsten Kameraden und treuen Gehilfen mussten den Tod erleiden. Das war hart, aber es musste sein. Darin stimmten wir alle überein, dass nichts gescheut werden durfte, was zur Erreichung unseres Ziels beitragen konnte«, schrieb er später. »Jetzt knallte der erste Schuss. Ich bin sonst nicht nervös, aber ich muss gestehen, da fuhr ich zusammen. Dann folgte Schuss auf Schuss. … Bei jedem verlor ein treuer Diener das Leben. … Es lag etwas Drückendes, Trauriges in der Luft – wir hatten unsere Hunde doch herzlich lieb gewonnen gehabt.« Die Männer nannten ihren Lagerplatz »Metzgerei«. Sie waren traurig an diesem Abend, doch der Sturmlauf zum Pol konnte weitergehen.
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