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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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einer Art Intimfeind geworden war. Scott hatte nun die, wie er sich ausdrückte, »herzzerreißende« Aufgabe, vier Männer für die vorzeitige Rückkehr auszuwählen. Er schwankte vor allem zwischen Cherry-Garrard und Oates und entschied sich schließlich dafür, Letzteren in seinem Polteam zu behalten, während der tief enttäuschte Cherry-Garrard umkehren musste. Scott gab den Männern einige Zeilen an seine Frau Kathleen mit: »Wir kämpfen uns gegen alle Schwierigkeiten voran. Das Wetter ist ein Quell ständiger Sorge, ansonsten aber laufen die Dinge wie geplant.… Es ist schade, dass wir so wenig Glück haben, denn die Ausrüstung passt bis ins Detail.… Wir sollten durchkommen.« Auch Scotts Stellvertreter Teddy Evans schrieb an seine Frau: »Dann und wann mache ich mir Gedanken darüber, was uns wohl bevorsteht und wohin uns all dies bringen wird. Amundsen ist sicherlich nicht hier entlanggekommen, obwohl Hunde hier mit Leichtigkeit hochkommen würden.« Wenn er auch nur die leiseste Ahnung gehabt hätte, wie weit die Norweger bereits vorgestoßen waren – seine Stimmung wäre wohl auf dem absoluten Nullpunkt gelandet.
    Abb 172
    Enttäuschung: Apsley Cherry-Garrard musste ins Basislager umkehren.

    Abb 148
    »Amundsen ist sicherlich nicht hier entlanggekommen.« Tatsächlich waren die Norweger bereits viel weiter, als die Briten vermuteten.
    Amundsen am Pol
    Bei Roald Amundsen und seinen Männern stieg die Spannung in dem Maße, in dem sie sich dem Südpol näherten. Von den Engländern war weit und breit nichts zu entdecken. Auch der ominöse schwarze Punkt in der Ferne hatte sich lediglich als harmlose Luftspiegelung herausgestellt. Amundsen war sich jetzt seiner Sache ganz sicher. Obwohl er durchaus hätte versuchen können, sein großes Ziel bei anhaltend gutem Wetter mit drei, vier Gewaltmärschen zu erreichen, entschied er sich, noch einmal zu rasten und ein letztes Depot anzulegen. Am 9. Dezember wurden die Schlitten abermals um 100 Kilogramm erleichtert, hauptsächlich, um die stark geschwächten Hunde nicht weiter zu belasten. Auch die fünf Männer hatten zunehmend mit den Strapazen des Trecks zu kämpfen. »Die Wärme der letzten Tage hatte unsere Frostbeulen sehr verschlimmert«, schrieb Amundsen. »Und wie sahen wir aus! Wisting, Hansen und mir hatte der letzte Schneesturm tüchtig zugesetzt. Die linke Seite unseres Gesichts war eine einzige blutunterlaufene, eitrige Wunde. Wir sahen wirklich wie die schlimmsten Wegelagerer und Raufbolde aus und wären wahrscheinlich selbst von unseren nächsten Angehörigen nicht erkannt worden.«

    Amundsens Route zum Pol und zurück nach »Framheim«: Er musste sich seinen Weg durch vollkommen unbekanntes Terrain bahnen.

    Gemessenen Schritts tasteten sie sich weiter voran. Ein Viertel Breitengrad, das heißt 15 Seemeilen oder knapp 28 Kilometer am Tag, das musste trotz bester Wetterbedingungen genügen. Es war, als wollte Amundsen die Vorfreude auf den Pol bis zur letzten Neige auskosten. Am Abend des 14. Dezember rasteten die Männer auf 89°45’ – jetzt fehlte nur noch ein letztes Viertelgrad bis zu ihrem großen Erfolg. Wie sich Amundsen später erinnerte, fühlten sich die Männer an diesem Abend wie kleine Kinder vor der weihnachtlichen Bescherung. »Jetzt können wir im Liegen zum Pol blicken, und ich kann die Erdachse schon knarren hören«, kritzelte Bjaaland gut gelaunt in sein Tagebuch, »und morgen wird sie geschmiert. Werden wir die englische Flagge sehen? Gott sei uns gnädig! Ich glaube es nicht.«
    Es war wenig verwunderlich, dass kaum einer von ihnen in dieser Nacht ein Auge zubrachte. Schneller als sonst nahmen sie am Morgen ihr Frühstück ein, packten ihre Sachen zusammen und machten ihre Schlitten aufbruchbereit. Wie immer führte Hansens Gespann die kleine Karawane an. »Es wurde nicht viel gesprochen, aber die Augen wurden umso eifriger benutzt«, schrieb Amundsen rückblickend. »Hansens Hals war doppelt so lang wie an den anderen Tagen, so sehr drehte und reckte er ihn, um womöglich einige Millimeter weiter voraussehen zu können. Ich hatte ihn vor dem Abmarsch gebeten, sich ordentlich umzuschauen, und diesen Auftrag führte er nach Kräften aus. Aber wie sehr er auch guckte und guckte, er sah doch nichts als die unendliche, gleichmäßige Ebene ringsumher.« Um die Mittagszeit stoppte Hansen seinen Schlitten und rief den Chef nach vorn: Die Hunde würden schlecht laufen, sie bräuchten einen Vorläufer. Das war natürlich ein

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