Der Wettlauf zum Suedpol
himmlischen Kaffee. Wie gut eine Tasse Kaffee schmecken kann, wird einem erst klar, wenn man so lange wie wir darauf verzichten musste.« Genau 99 Tage waren die Männer unterwegs gewesen, fast 3000 Kilometer hatten sie zurückgelegt. Während des gemeinsamen Frühstücks hielt Amundsen eine kurze Rede. Er dankte seinen Mitstreitern und pries das große Glück, dass sie heil zurückgekommen waren. Alle waren froh und zufrieden. »Dieses gemeinsame Frühstück in Framheim am Ende der Fahrt gehört zu den Augenblicken im Leben, die man niemals vergisst«, schrieb Helmer Hansen später. Zum Abschluss gab es ein großes Glas Schnaps, das alle in wenigen Schlucken leerten.
Abb 183
»Framheim« nach der Ankunft der Rückkehrer vom Pol: Friedlich und tief verschneit. Nur die norwegische Flagge weht triumphierend im Wind.
Der Rückweg über die Eisbarriere war für die Männer wie im Flug vergangen. Amundsen hatte endgültig alle Reisebeschränkungen aufgehoben, und die Männer waren mit ihren Schlitten gefahren, soweit es die Kräfte der Hunde zuließen – manchmal mehr als 50 Kilometer am Tag. Dann hatten sie gerastet, bis die Tiere sich erholt hatten, und waren weitergezogen – egal, ob tagsüber oder nachts. Am 11. Januar verschwand im Süden der letzte Berg aus ihrem Gesichtsfeld, und als Boten des Meeres, dem sie sich stetig näherten, wurden zwei Skua-Möwen gesichtet. Das Wetter verschlechterte sich, Schneetreiben, Stürme und Nebel kamen auf, doch die Männer konnten sich an ihren Wegmarken orientieren und fanden alle ihre Depots. Große Teile der Vorräte konnten nicht mehr verbraucht werden und wurden einfach zurückgelassen. Schritt für Schritt kamen sie näher an Framheim heran, und doch dachten sie bereits mit Wehmut an das, was hinter ihnen lag. Jede Schneewarte wurde verabschiedet wie ein guter Freund.
Nach der Rückkehr war Amundsen natürlich begierig auf Neuigkeiten. Er war erfreut zu hören, dass Prestrud, Johansen und Stubberud ihre Osttour
erfolgreich hinter sich gebracht hatten. Zwar war das Unternehmen aufgrund der beschränkten Mittel nüchtern betrachtet wenig mehr als eine Alibiveranstaltung, doch immerhin konnte man damit punkten, dass Menschen erstmals ihren Fuß auf Edward VII.-Land gesetzt und einige Gesteinsproben von dort mitgebracht hatten. Einige Tage vor der Rückkehr der Polgruppe war außerdem ein Schiff mit einer japanischen Antarktisexpedition unter dem Forscher Shirase Nobu in der Bay of Whales erschienen. Die Japaner waren Ende 1910 in Tokio ebenfalls mit dem Ziel aufgebrochen, für ihr Land den Südpol zu erobern. Im Frühjahr 1911 hatten sie wegen schlechter Wetterbedingungen allerdings schon vor Erreichen der Antarktis umkehren müssen und dann in Australien erfahren, dass sie in den Wettlauf um den Pol nicht mehr würden eingreifen können. Nun waren sie auf der Suche nach einem Landepunkt, von dem aus sie zumindest den Versuch wagen wollten, nach Süden vorzudringen. Die Beziehungen zwischen Norwegern und Japanern gestalteten sich freundlich, auch wenn sie sich aufgrund sprachlicher Probleme kaum verständigen konnten.
Die wichtigste Nachricht war für Amundsen jedoch, dass bereits am 9. Januar die Fram wieder in der Bucht der Wale eingetroffen war. Der Eisgang hatte sie zwar noch einmal aufs offene Meer hinausgetrieben, doch am Morgen des 27. Januar lief sie wieder in die Bucht ein und ließ triumphierend das Schiffshorn ertönen. In Windeseile zogen sich die Framheimer die Pelzkleider über und rasten mit den Hundeschlitten hinunter zur Eiskante. »Alle sahen froh und vergnügt aus«, erinnerte sich Amundsen später an das Wiedersehen mit der Schiffsmannschaft, »aber keiner fragte nach dem Pol. Schließlich bemerkte Gjertsen: ›Sind Sie dort gewesen?‹ Das Gefühl, das mir dabei aus den Gesichtern meiner Gefährten entgegenstrahlte, kann kaum mit dem Wort ›Freude‹ bezeichnet werden, es war viel mehr als Freude.«
Amundsen wurde nun von Kapitän Nilsen darüber informiert, wie sein Südpolcoup in der Weltöffentlichkeit zunächst aufgenommen worden war. Dass man in Großbritannien wegen des von ihm angezettelten Wettlaufs zum Pol nicht unbedingt Sympathie für ihn empfand, hatte er sich denken können. Dass es freilich auch in der Heimat Kritik gehagelt hatte, erzürnte ihn im höchsten Maße: »Eine Reihe von Leuten scheint über unsere Tätigkeit hier unten entrüstet zu sein – ein Bruch der Etikette? Sind
diese Leute irre? Sind jetzt Polarfragen
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