Der Wettlauf zum Suedpol
ausschließlich Scott zur Lösung überlassen? Diese Pappnasen können mir gestohlen bleiben. Nansen hat wie üblich mit seinem kalten, klaren Verstand die Lage beruhigen müssen. Ja, die Menschen sind nun mal verrückt.« Vor allem drei Männer hatten es in Amundsens Augen ermöglicht, dass die Expedition letztlich erfolgreich durchgeführt werden konnte. Fridtjof Nansen hatte mit seiner Autorität als Forscher und Diplomat unschätzbare PR-Arbeit geleistet und verhindert, dass die Fram per Parlamentsbeschluss nach Norwegen zurückbeordert wurde. König Haakon VII. war der Expedition trotz der unerwarteten Kursänderung wohlgesonnen geblieben und hatte weitere inoffizielle Zuschüsse gewährt.
Abb 214
Roald Amundsen und Pedro Christophersen (links), der die Südpolreise quasi allein finanzierte.
Dem aus Norwegen stammenden argentinischen Großgrundbesitzer Pedro Christophersen jedoch war es zu verdanken, dass das auf der Kippe stehende Unternehmen finanziell in sicheres Fahrwasser geriet. Christophersen hatte ursprünglich lediglich angeboten, die Fram in Montevideo oder Buenos Aires auf seine Kosten versorgen zu lassen, wenn sie auf ihrer Fahrt ins Nordpolarmeer dort Station machen würde. Da sich die Ziele der Reise dann aber komplett geändert hatten, war diese Hilfe zunächst nicht in Anspruch genommen worden. Als Kapitän Nilsen freilich im Frühjahr 1911 auf dem Rückweg von der Antarktis in Buenos Aires eintraf, um die Fram für die vorgesehene ozeanografische Forschungsreise überholen zu lassen, war das dafür vorgesehene Konto in Norwegen leer. Es blieb nichts anderes übrig, als den verhinderten Gönner um eine Finanzspritze zu bitten – letztlich erfolgreich: Christophersen sprang in die Bresche und übernahm in der
Folge die gesamte Finanzierung des Unternehmens praktisch allein. »Ich schulde dem König, Nansen und Christophersen mehr, als ich sagen kann«, versuchte Amundsen seine Dankbarkeit in Worte zu fassen. »Als alle sich von mir abwandten, reichten sie mir die Hand. Gott segne sie!«
Nun aber kam es darauf an, schnellstmöglich aufzubrechen. Der Wettlauf war noch nicht gewonnen, solange die Weltöffentlichkeit nicht von der Eroberung des Südpols unterrichtet war. »Zeit ist kostbar«, so Amundsen, »und wir müssen vor allen anderen die Zivilisation erreichen. « Er konnte nicht wissen, dass Scott noch immer oben auf dem Polarplateau unterwegs war und dort einen verzweifelten Kampf gegen Hunger, Kälte und Entkräftung führte. Die Norweger brachten nur die Hunde und die allernotwendigsten Ausrüstungsgegenstände auf das Schiff, der große Rest blieb in Framheim zurück. Am Sonntag nach der Rückkehr der Polgruppe gab es noch ein großes Abschiedsessen, doch am Abend des 30. Januar 1912 schlossen die Männer zum letzten Mal die Tür ihres so lieb gewonnenen Winterquartiers hinter sich. »Es war ein schwerer Augenblick, Framheim zu verlassen«, schrieb Amundsen, an diesem Abend zum ersten Mal wieder an Bord der Fram , in sein Tagebuch. »Es war das beste und gemütlichste Winterquartier, das es je gab. Es sah funkelnagelneu aus, als wir auszogen, denn Lindstrøm hatte es von oben bis unten gescheuert. Wir wollten uns nicht nachsagen lassen, es unordentlich oder schmutzig zurückgelassen zu haben, falls jemand Gelegenheit haben sollte, dorthin zu kommen und nachzusehen.«
Die Männer ergriff ein tiefes Gefühl der Wehmut. Mehr als ein Jahr lang war die Hütte hoch oben auf der Eisbarriere ihre Heimat gewesen. Mit Grammofon, Küchenherd und Luxlampe hatte sie gewissermaßen den letzten Vorposten der zivilisierten Welt in der Eiswüste der Antarktis dargestellt. Die Sorgen und Nöte dieser Welt waren dabei weit weg gewesen, und es gab einige Männer, die dem nun wieder drohenden Alltag in Beruf und Familie am liebsten ganz entronnen wären. Doch letztendlich siegte die Vorfreude: Schließlich kamen sie nicht als geschlagene Verlierer zurück, sondern hatten der Welt einen Sieg zu verkünden. Gegen zehn Uhr abends lichtete die Fram ihre Anker und verließ die Bucht der Wale. So als wollten die Naturgewalten verhindern, dass sich der Abschiedsschmerz allzu lange hinzog, senkte sich dichter Nebel über die Bucht und die Eisbarriere. Amundsen schrieb später: »Das hinter uns liegende Panorama,
das sich bei hellem Wetter so wundervoll ausgenommen hätte und auf dem wir so gerne noch den Blick hätten ruhen lassen, bis es schließlich in der Ferne verschwunden wäre, war und blieb
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