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Der Wettlauf zum Suedpol

Der Wettlauf zum Suedpol

Titel: Der Wettlauf zum Suedpol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Knopp
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Schreiben an den norwegischen Monarchen an sich und legte es zu seinen Unterlagen – er würde später noch entscheiden können, was er damit anfangen sollte.

    Abb 178
    »Ein entsetzlicher Ort …«: Edward Wilsons Zeichnung des von den Norwegern zurückgelassenen »Polheim«-Zelts.
    Abb 175
    Beeindruckende Konstruktion: Vier Briten und das Zelt der Norweger, von Henry Bowers mit der Kamera festgehalten.

    Die zurückgelassenen Ausrüstungsgegenstände der Norweger dagegen kamen in der Tat gerade recht – Bowers freute sich über die Fäustlinge aus Rentierfell, da er seine eigenen aus Hundefell verloren hatte; Wilson nahm eine Spirituslampe mit, die er zur Herstellung von desinfizierenden Salben benötigte. Amundsen hatte zwar erwogen, auch einen Kanister mit Paraffin im Zelt zurückzulassen, doch sich nicht recht vorstellen können, dass ausgerechnet der in der Eiswüste so lebensnotwendige Brennstoff bei den Briten knapp sein sollte. In der Tat wäre dieser Kanister das gewesen, was Scott und seine Männer für ihren Rückmarsch am dringendsten gebraucht hätten.

    Abb 169
    »Vom Forscher zum Briefträger degradiert«: Im »Polheim«-Zelt entdeckten die Briten eine schriftliche Nachricht Amundsens für Scott mit der Bitte, sein Schreiben, datiert vom 15. Dezember 1911, an den norwegischen König Haakon VII. weiterzuleiten. Ein Fund, der nicht gerade zur Steigerung des britischen Selbstbewusstseins beitrug.

    Nachdem sie eine Notiz mit der Mitteilung hinterlassen hatten, dass sie ebenfalls vor Ort gewesen waren, zogen die Männer weiter zu einem Punkt, den ihre wenig systematischen Messungen am Morgen als Pol ergeben hatten. Hier bauten sie eine Schneepyramide, stellten, so Scott, den »armen, geschundenen Union Jack« auf und schossen Fotos. »Es sind die traurigsten Bilder der ganzen Expedition, und zwar nicht nur, weil man weiß, dass das Urteil über sie gesprochen war – die Erschöpfung und das Gefühl der Vergeblichkeit stehen ihnen ins Gesicht geschrieben«, schreibt Diana Preston. »Aus ihren verhärmten und vom Wetter gegerbten Gesichtern spricht keine Freude.« Nachdem erneute Messungen veränderte Werte erbracht hatten, gingen sie noch einmal eine halbe Meile weiter und wiederholten die Zeremonie. Roland Huntford zufolge beruhten jedoch beide Messungen auf Berechnungsfehlern. In Wahrheit hätten sie sich nicht zum Pol hin-, sondern schon wieder von ihm wegbewegt. Auf diese Weise seien sie niemals ganz bis zum Pol gelangt. Wenig später machten sie sich auf den Rückweg. Es gab in dieser Einöde nichts mehr für sie zu tun. Zudem drängte die Zeit. »Jetzt geht es an den Rückmarsch und an den verzweifelten Kampf, die Nachricht als Erste herauszubringen. Ich frage mich, ob wir das schaffen«, schrieb Scott. Er glaubte offenbar tatsächlich immer noch, es ginge weiterhin nur um Ruhm und Ehre. Tatsächlich aber hatte längst der Kampf auf Leben und Tod begonnen. Nach der Mittagspause brachen die Männer auf. Sie wollten weg von Pol, weg von der Enttäuschung ihres Lebens. »Wir haben dem Ziel unseres Ehrgeizes nun mit schmerzlichen Gefühlen den Rücken gekehrt«, schrieb Scott am Abend dieses 18. Januar, »und müssen uns nun der 800 Meilen langen, ununterbrochenen Schinderei stellen – und die meisten Tagträume begraben.«

Der eisige Tod
    Am 26. Januar 1912 kurz vor vier Uhr morgens öffneten fünf Männer vorsichtig die Hüttentür von Framheim und schlichen sich leise ins Innere der Behausung. Drinnen war es ganz still. Die vier übrig gebliebenen Insassen des norwegischen Basislagers schliefen tief und fest. Es war ein erfreulicher Anblick für Amundsen, der meinte, dass seine erfolgreiche Polreise mit einem kleinen Knalleffekt zu Ende gehen müsste. »Guten Morgen, lieber Lindstrøm!«, rief er deshalb plötzlich laut, »ist der Kaffee fertig?« Die Reihe der Schläfer geriet in Bewegung. Ein Gesicht nach dem anderen tauchte aus den Schlafkojen auf und starrte die fünf Eindringlinge an, als wären sie Gespenster. »Großer Gott«, stammelte einer, »sind Sie es?« Doch dann brach der Jubel los, und alle freuten sich, dass die Polreisenden wohl und gesund zurückgekehrt waren. Der wichtigste Punkt freilich war noch offen. Wie sich Wisting erinnerte, stellte irgendjemand dann die entscheidende Frage: »›Wart ihr da?‹ – ›Ja, wir waren da‹, antwortete Roald Amundsen, und dann gab es ein großes Hallo. Kurz danach saßen wir alle am Tisch und genossen Lindstrøms Pfannkuchen und

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