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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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Textnachrichten.
    Gehe ins Bett und lese noch. Nacht, Dad.
    Er blieb neben seinem Auto stehen und antwortete ihr sofort.
    Bin gerade auf dem Heimweg … O?
    Ihre Antwort kam prompt.
    Ozean.
    Es war ein Spiel, das sie spielten, aber ein Spiel mit einem bestimmten Zweck. Er hatte ihr das phonetische Alphabet des LAPD beigebracht und stellte sie häufig auf die Probe, indem er ihr etwas simste. Oder er deutete auf ein Nummernschild, wenn sie zusammen im Auto unterwegs waren, und ließ sie es im phonetischen Code wiedergeben.
    Er textete zurück.
    BM
     
    Braves Mädchen.
    Sobald er im Auto saß, öffnete er das Seitenfenster und schaute zum Haus der Irvings. In den Zimmern im Erdgeschoss brannte jetzt kein Licht mehr. Aber oben war die Familie – oder was davon übrig war – noch wach und schlug sich mit den Trümmern herum, die ihnen George Irving hinterlassen hatte.
    Bosch startete den Motor und fuhr zum Ventura Boulevard. Er klappte sein Handy auf und rief Chu an. Er sah auf die Uhr am Armaturenbrett. Erst kurz nach halb zehn. Noch jede Menge Zeit. Redaktionsschluss für die morgige Ausgabe der
Times
war dreiundzwanzig Uhr.
    »Harry? Alles klar?«
    »Chu, ich möchte, dass du deine Freundin bei der
Times
anrufst und ihr …«
    »Sie ist nicht meine Freundin, Harry. Ich habe einen Fehler gemacht, und langsam kotzt es mich an, dass du mir das ständig unter die Nase reibst.«
    »Tja, und du kotzt mich an, Chu. Trotzdem möchte ich, dass du was für mich tust. Ruf sie an und gib ihr die Story. Aber keine Namen, es muss aus einer ›gut unterrichteten Quelle‹ kommen. Das LAPD  …«
    »Harry, sie wird mir nicht mehr trauen. Ich habe ihr damit gedroht, sie zu ruinieren, wenn sie die Meldung nicht zurückzieht. Sie wird nicht mal mehr mit mir reden.«
    »Doch, wird sie. Wenn sie die Story will. Schick ihr erst eine Mail, dass du alles wiedergutmachen willst und ihr die Story gibst. Dann rufst du sie an. Aber keine Namen. Eine gut unterrichtete Quelle. Das LAPD wird morgen bekannt geben, dass der Fall George Irving abgeschlossen ist. Sein Tod wird als Selbstmord eingestuft. Und vergiss nicht, ihr zu sagen, dass die einwöchigen Ermittlungen ergeben haben, dass Irving neben Eheproblemen auch beruflich enorme Schwierigkeiten hatte. Hast du das? Ich möchte, dass es so gemeldet wird.«
    »Warum rufst du sie dann nicht selber an?«
    Bosch bog in den Ventura Boulevard und fuhr zum Cahuenga-Pass.
    »Weil sie dein Kontakt ist, Chu. Und jetzt ruf sie an oder schick ihr eine SMS oder Mail und sag es ihr genau so, wie ich gesagt habe.«
    »Sie wird aber mehr haben wollen. Das ist zu allgemein. Sie wird ein paar, wie sie es nennt, aussagekräftige Details haben wollen.«
    Bosch überlegte kurz.
    »Sag ihr, dass George Irving vor zwanzig Jahren seine Hochzeitsnacht in dem Zimmer verbracht hat, von dessen Balkon er gesprungen ist.«
    »Okay, das hört sich schon besser an. Das wird ihr bestimmt gefallen. Was sonst noch?«
    »Nichts sonst noch. Das genügt.«
    »Warum jetzt? Warum nicht morgen?«
    »Weil es sich nur noch schwer rückgängig machen lässt, wenn es in der morgigen Printausgabe steht. High Jingo, Chu. Das ist kein Ermittlungsergebnis, über das der Stadtrat glücklich sein wird. Und darüber wird wiederum der Polizeichef nicht glücklich sein.«
    »Aber ist es denn die Wahrheit?«
    »Ja, es ist die Wahrheit. Und die Wahrheit wird immer an den Tag kommen. Sag GoGo, dass es, wenn sie das hier ordentlich macht, eine Nachfolgemeldung gibt, und die will sie bestimmt auch haben.«
    »Was für eine Nachfolgemeldung?«
    »Erzähl ich dir später. Aber jetzt mach mal zu. Die Frau hat eine Abgabefrist.«
    »Wird das eigentlich immer so bleiben, Harry? Dass du mir nur sagst, was ich tun soll und wann? Dass ich selber nie was zu melden habe?«
    »Du wirst was zu melden haben, Chu. Bei deinem nächsten Partner.«
    Bosch klappte das Handy zu. Während der restlichen Fahrt dachte er über die Dinge nach, die er auslöste. Bei der Zeitung, bei Irving und bei Chu.
    Er unternahm riskante Schritte und konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob das daran lag, dass er sich bei den Ermittlungen so weit in die Irre hatte führen lassen. Bestrafte er sich damit selbst oder diejenigen, die ihn fehlgeleitet hatten?
    Gerade als er den Woodrow Wilson Drive zu seinem Haus hinauffuhr, bekam er einen Anruf. Er nahm an, es wäre Chu, der ihm mitteilen wollte, dass er GoGo angerufen hatte und die Meldung in der Morgenausgabe der
Times
erscheinen

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