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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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hatte. Irving könnte dieses Wissen für sich behalten haben, während er abwartete, welche Richtung die Ermittlungen einschlagen würden. Letztlich spielte es auch keine Rolle, was Irving wusste oder seit wann er es wusste.
    »Was hat Ihr Mann zu Ihnen gesagt, als er hier am Sonntagabend weggefahren ist?«
    »Wie ich Ihnen bereits erzählt habe, hat er gesagt, er würde noch mal mit dem Auto wegfahren. Das war alles. Wohin er wollte, hat er mir nicht gesagt.«
    »Hat er bei einem Ihrer Gespräche in der Woche vor seinem Tod jemals damit gedroht, sich umzubringen?«
    »Nein.«
    »Wirklich nicht?«
    »Nein, mit keinem Wort. Ich mache Ihnen hier nichts vor.«
    »Sie haben gesagt, Sie hätten an mehreren Abenden darüber geredet. Hat er Ihren Entschluss akzeptiert?«
    »Nein, natürlich nicht. Er sagte, er würde mich nicht gehen lassen. Ich sagte ihm, er hätte keine Wahl. Ich würde ihn verlassen. Ich hatte diesen Entschluss schon lange mit mir herumgetragen. Es war keine überstürzte Entscheidung. Ich führte schon sehr lange eine Ehe ohne Liebe, Detective. An dem Tag, an dem Chad das Zulassungsschreiben der USF bekam, begann ich, mir Gedanken über meine Zukunft zu machen.«
    »Hatten Sie schon eine Wohnung, in die Sie hätten ziehen können?«
    »Eine Wohnung, ein Auto, einen Job – alles.«
    »Wo?«
    »In San Francisco. In Chads Nähe.«
    »Warum haben Sie mir das nicht gleich von Anfang an erzählt? Warum haben Sie es mir verheimlicht?«
    »Wegen meines Sohns. Sein Vater war tot, und es war nicht klar, wie er ums Leben gekommen ist. Chad hätte nicht zu erfahren brauchen, dass die Ehe seiner Eltern gescheitert war. Ich wollte ihn nicht auch noch damit belasten.«
    Bosch schüttelte den Kopf. Es schien sie nicht zu kümmern, dass ihr Täuschungsmanöver fast dazu geführt hätte, dass McQuillen des Mordes angeklagt wurde.
    Irgendwo im Haus ertönte ein Geräusch, und Deborah Irving horchte auf.
    »Das war gerade die Hintertür. Chad ist nach Hause gekommen. Erzählen Sie ihm bitte nichts davon. Ich flehe Sie an.«
    »Er wird es herausfinden. Ich sollte mit ihm reden. Sein Vater muss ihm doch etwas erzählt haben, als er ihm gesagt hat, dass er nach Hause kommen soll.«
    »Nein, hat er nicht. Ich war dabei, als er ihn angerufen hat. Er hat ihm nur gesagt, er müsste wegen eines Notfalls in der Familie unbedingt ein paar Tage nach Hause kommen. Er hat ihm versichert, dass es gesundheitlich allen gutginge, aber dass er nach Hause kommen müsste. Erzählen Sie ihm bitte nichts. Das werde
ich
tun.«
    »Mom?«
    Es war Chad, der irgendwo im Haus nach seiner Mutter rief.
    »Im Wohnzimmer, Chad«, rief Deborah Irving zurück.
    Dann sah sie mit einem flehentlichen Blick Bosch an und flüsterte:
»Bitte.«
    Chad Irving kam ins Wohnzimmer. Er trug Jeans und ein Polohemd. Sein Haar war ungekämmt und sah auffallend anders aus als bei der Beerdigung, als es sorgfältig frisiert gewesen war.
    »Hallo, Chad«, sagte Bosch. »Wie geht’s?«
    Der Junge nickte.
    »Es geht so. Was machen Sie hier? Haben Sie den Mann, der meinen Vater umgebracht hat, verhaftet?«
    »Nein, Chad«, sagte seine Mutter rasch. »Detective Bosch hatte nur noch ein paar Fragen. Hauptsächlich geschäftliche Dinge. Nichts Wichtiges, und Detective Bosch wollte sowieso gerade gehen.«
    Es kam selten vor, dass Bosch zuließ, dass jemand für ihn sprach, dabei log und ihn auch noch zur Tür hinauskomplimentierte. Aber er spielte mit. Er stand sogar auf.
    »Ja, ich glaube, das dürfte fürs Erste alles gewesen sein. Vielleicht werde ich auch mit Ihnen noch mal reden müssen, Chad, aber das hat Zeit bis morgen. Sie sind doch morgen noch hier, oder?«
    Bosch sah die ganze Zeit Deborah Irving an, während er das sagte. Die Botschaft war unmissverständlich. Wenn Sie es ihm erzählen wollen, dann erzählen Sie es ihm heute Abend. Sonst komme ich morgen wieder.
    »Ja, ich bleibe noch bis Sonntag. Habe ich Ihnen doch schon bei der Beerdigung erzählt.«
    Bosch nickte. »Ach ja, richtig. Habe ich ganz vergessen.«
    Er entfernte sich von der Sitzgruppe.
    »Meine Nummer haben Sie ja, Mrs. Irving. Rufen Sie mich einfach an, wenn es irgendetwas Neues gibt. Ich finde schon allein hinaus.«
    Damit durchquerte Bosch das Wohnzimmer und verließ das Haus. Er nahm nicht den gepflasterten Weg zur Straße, sondern ging quer über den Rasen zu seinem Auto.
    Währenddessen ging auf seinem Handy eine SMS ein. Sie war natürlich von seiner Tochter. Sonst schickte ihm niemand

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