Der Widersacher
herausstellte, war sie das einzige Mädchen, das an dem Wettkampf teilnahm. Maddie trat gegen sieben Jungen an. Die Paarungen wurden ausgelost. Gegen ihren ersten Konkurrenten gewann sie mit links und schaffte nach einem schwachen Zehn-Meter-Start bei fünfzehn und fünfundzwanzig Metern sieben von acht Ringen. Bosch war so stolz und froh für sie, dass er am liebsten losgestürmt wäre, um sie zu umarmen. Aber er beherrschte sich, denn er wusste, dass das nur unterstriche, dass sie das einzige Mädchen war. Deshalb blieb er der einsame Zuschauer, der an den Picknicktischen applaudierte. Außerdem setzte er seine Sonnenbrille auf, damit kein Fremder den Ausdruck in seinen Augen sah.
In der nächsten Runde flog seine Tochter wegen eines Schusses in den Einserring raus, aber sie trug es mit Fassung. Die Tatsache, dass sie an einem Wettkampf teilgenommen und gegen ihren ersten Kontrahenten gewonnen hatte, war die Sache wert. Sie und Bosch blieben noch, um sich das Finale und den anschließenden Beginn des Erwachsenenwettbewerbs anzusehen. Maddie versuchte, Bosch zu überreden, bei den Erwachsenen mitzumachen, aber er weigerte sich. Sein Auge war nicht mehr das, was es einmal gewesen war, und er wusste, dass er keine Chance hätte.
Sie aßen im Busy Bee spät zu Mittag und machten in der Crescent einen Schaufensterbummel, bevor sie um vier Uhr die Fähre zurück aufs Festland nahmen. Weil die Seeluft kalt war, saßen sie drinnen, und irgendwann legte Bosch seiner Tochter den Arm um die Schultern. Er wusste, dass andere Mädchen in ihrem Alter nichts über Schusswaffen und den Umgang damit lernten. Sie sahen ihre Väter aber auch nicht nachts über Mordakten, Obduktionsbefunden und Tatortfotos brüten. Sie wurden nicht allein zu Hause gelassen, wenn ihre Väter mit ihren Pistolen loszogen, um Bösewichter zu jagen. Die meisten Eltern zogen künftige Bürger groß. Ärzte, Lehrer, Mütter, Erben von Familienunternehmen. Bosch zog eine Kriegerin auf.
Der Gedanke an Hannah Stone und ihren Sohn schoss ihm durch den Kopf, und er drückte die Schulter seiner Tochter noch einmal.
Ihn ließ schon eine ganze Weile etwas nicht mehr los, und jetzt wurde es Zeit, darüber zu reden.
»Du weißt schon«, begann er, »du brauchst das nicht zu machen, wenn du keine Lust dazu hast. Tu es auf keinen Fall für mich, Mads. Das mit den Waffen. Auch, dass du zur Polizei gehen möchtest. Du tust nur, was du willst. Du musst ganz für dich allein entscheiden.«
»Ich weiß, Dad. Aber ich mache es nicht deinetwegen. Ich will es wirklich. Darüber haben wir doch vor langer Zeit schon mal gesprochen.«
Boschs Hoffnung war, dass es ihr gelänge, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und etwas Neues aufzubauen. Er selbst war dazu nicht in der Lage gewesen, und er fürchtete, dass es ihr genauso gehen könnte.
»Na, dann gut, Mads. Außerdem ist bis dahin sowieso noch eine Weile hin.«
Ein paar Minuten vergingen, in denen er seinen Gedanken nachhing. Die getarnten Bohrtürme im Hafen kamen in Sicht. Auf seinem Handy ging ein Anruf ein, und er sah, dass er von David Chu war. Bosch ging nicht ran. Er wollte sich diesen Moment nicht mit Arbeit verderben oder, was wahrscheinlicher war, mit Chu, der um eine zweite Chance bettelte. Er steckte das Handy ein und küsste seine Tochter auf den Scheitel.
»Wahrscheinlich werde ich mir immer Sorgen um dich machen müssen«, sagte er. »Jedenfalls sieht es nicht so aus, als ob du Lehrerin oder sonst was Ungefährliches werden wolltest.«
»Ich finde die Schule schrecklich, Dad. Wie sollte ich da Lehrerin werden wollen?«
»Keine Ahnung. Vielleicht, um was am ganzen System zu ändern, um es zu verbessern, damit es die Kinder nicht mehr schrecklich finden?«
»Ein einziger Lehrer? Das glaubst du doch selbst nicht.«
»Es ist nur einer nötig. Es fängt immer mit einem an. Und außerdem, wie gesagt, du machst, was du für richtig hältst. Du hast ja noch Zeit. Wahrscheinlich ist es sowieso egal, welchen Beruf du wählst, ich werde mir immer Sorgen um dich machen.«
»Nicht, wenn du mir alles beibringst, was du weißt. Dann brauchst du dich nicht mehr um mich zu sorgen, weil ich dann so bin wie du.«
Bosch lachte.
»Wenn du dich so aufführst wie ich, dann muss ich den ganzen Tag mit einem Rosenkranz in der einen Hand und einer Hasenpfote in der anderen rumlaufen und mir vielleicht noch ein vierblättriges Kleeblatt auf den Oberarm tätowieren lassen.«
Sie rammte ihm den Ellbogen in die
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