Der Widersacher
Bosch gefiel, wie es sich anhörte.
»Nein, ich habe eigentlich gemeint, in meine Wohnung«, sagte sie. »Zum Mittagessen und zum Reden. Wir könnten einfach hierbleiben, nur wir zwei, und ich kann uns was zu essen machen. Irgendwas Einfaches.«
»Äh …«
»Und dann sehen wir einfach, wie es weitergeht.«
»Wenn dir das recht ist?«
»Klar.«
Bosch nickte sich selbst zu.
»Okay, dann bis gleich.«
[home]
34
D avid Chu war bereits in ihrem Abteil, als Bosch am Montagmorgen zum Dienst erschien. Als er Bosch sah, drehte er sich auf seinem Stuhl und hob in einer Geste der Unschuld die Hände.
»Harry, ich kann nur sagen: Ich war’s nicht.«
Bosch stellte seinen Aktenkoffer ab und schaute, ob irgendwelche Nachrichten oder Protokolle auf seinem Schreibtisch lagen. Da war nichts.
»Wovon redest du überhaupt?«
»Von dem
Times
-Artikel. Hast du ihn nicht gesehen?«
»Keine Angst. Ich weiß, dass du das nicht warst.«
»Wer war’s dann?«
Bosch deutete zur Decke hoch, als er sich setzte. Damit meinte er, dass die Meldung aus dem zehnten Stock kam.
»High Jingo«, bemerkte er dazu. »Irgendjemand dort oben hat beschlossen, es durchzuziehen.«
»Um Irving unter Druck zu setzen?«
»Um ihn loszuwerden. Seine Wiederwahl zu verhindern. Aber das ist nicht mehr unser Bier. Wir haben unseren Abschlussbericht abgeliefert, und damit ist der Fall für uns erledigt. Ab heute steht Chilton Hardy auf dem Plan. Ich will ihn finden. Er läuft schon zweiundzwanzig Jahre frei herum. Ich möchte ihn bis heute Abend hinter Gitter bringen.«
»Ich habe dich übrigens am Samstag zu erreichen versucht. Ich war hier und habe Verschiedenes erledigt und wollte dich fragen, ob du zu Hardys Vater mitkommen wolltest. Aber wahrscheinlich hast du was mit deiner Tochter unternommen. Jedenfalls bist du nicht drangegangen.«
»Ja, ich war mit meiner Tochter unterwegs, und eine Nachricht hast du nicht hinterlassen. Was hast du hier gemacht?«
Chu drehte sich zu seinem Schreibtisch um und deutete auf den Monitor.
»Ich hab versucht, etwas über Hardys Vergangenheit herauszufinden. Viel gibt es da allerdings nicht. Nur ein paar Dinge über seinen Vater. Hat Immobilien gekauft und verkauft. Chilton Aaron Hardy senior. Lebt schon seit fünfzehn Jahren in Los Alamitos unten. In einer Eigentumswohnung. Bereits vollständig abbezahlt.«
Bosch nickte. Das waren gute Informationen.
»Außerdem habe ich versucht, eine Mrs. Hardy zu finden. Du weißt schon, falls sie vielleicht geschieden sind und sie irgendwo wohnt und uns auf die Spur von Junior bringen kann.«
»Und?«
»Fehlanzeige. Das Einzige, was ich gefunden habe, ist eine Todesanzeige von 1979 für eine Hilda Ames Hardy, Ehegattin von Chilton senior und Mutter von Chilton junior. Brustkrebs. Andere Kinder waren nicht genannt.«
»Das heißt wohl, wir müssen nach Los Alamitos runterfahren.«
»Ja.«
»Dann lass uns gleich mal verschwinden, bevor hier wegen der Zeitungsmeldung die Kacke am Dampfen ist. Nimm die Akte mit Pells Führerscheinfoto mit.«
»Warum Pell?«
»Weil Senior vielleicht nicht bereit ist, Junior hinzuhängen. Deshalb schlage ich vor, wir tricksen ihn aus, und dafür brauchen wir Pell.«
Bosch stand auf.
»Ich gehe schon mal die Magneten verschieben.«
Die Fahrt nach Süden dauerte vierzig Minuten. Los Alamitos lag an der Nordspitze von Orange County und war eine von etwa einem Dutzend ineinander übergehender kleiner Schlafstädte zwischen Anaheim im Osten und Seal Beach im Westen.
Während der Fahrt überlegten Bosch und Chu, wie sie bei Chilton Hardy senior am besten vorgehen sollten. Sie erreichten das Viertel, in dem er wohnte. Es lag nicht weit vom Los Alamitos Medical Center an der Katella Avenue. Sie hielten in einer Reihenhaussiedlung am Straßenrand. Eine Häuserzeile bestand aus jeweils sechs Einheiten mit langen Vorgärten und Doppelgaragen dahinter.
»Vergiss die Akte nicht«, sagte Bosch und stieg aus.
Von einem Hauptweg, an dem eine Reihe Briefkästen stand, gingen die Zugänge zu den einzelnen Haustüren ab. Die von Hardy senior war die zweite. Vor der geschlossenen Eingangstür war ein Fliegengitter angebracht. Ohne zu zögern, klingelte Bosch und klopfte gegen den Alurahmen des Fliegengitters.
Sie warteten fünfzehn Sekunden, ohne dass jemand öffnen kam.
Bosch klingelte noch einmal und hob die Faust, um an den Rahmen zu klopfen, als aus dem Innern eine gedämpfte Stimme zu hören war.
»Es ist jemand zu Hause«, sagte er zu
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