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Der Widersacher

Der Widersacher

Titel: Der Widersacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
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untersucht?«, fragte Bosch.
    »Natürlich«, sagte Antons. »Er hatte keine.«
    Wenn jemand erstickte, bildeten sich in den Blutgefäßen um die Augen Einblutungen, Petechien genannt.
    »Wieso fragen Sie nach Petechien, nachdem Sie die Aufschürfungen an seiner Schulter gesehen haben?«, wollte Antons wissen.
    Bosch zuckte mit den Achseln.
    »Nur zur Sicherheit.«
    Antons und Chu sahen ihn fragend an. Sie warteten auf eine weitere Erklärung. Aber er gab sie ihnen nicht. Sie standen eine Weile wortlos da, bevor Bosch weitersprach. Er deutete auf die Abschürfung auf dem Rücken des Toten.
    »Sie haben ante mortem gesagt. Wie lange – beziehungsweise wie kurz – vor dem Tod?«
    »Sie sehen ja, dass die Haut aufgeschürft ist. Ich habe eine Kultur angesetzt. Dem Histaminspiegel in den Wunden nach zu schließen, wurde ihm die Verletzung sehr kurz vor dem Tod beigebracht. Ich habe Detective Chu bereits gesagt, Sie müssen noch mal ins Hotel fahren. Er könnte sich den Rücken aufgeschürft haben, als er über das Balkongeländer geklettert ist. Die Wunde weist ein deutlich erkennbares Muster auf.«
    Bosch wusste bereits, woher das Muster stammte, behielt sein Wissen aber für sich.
    »Als er über das Balkongeländer geklettert ist? Heißt das, Sie stufen es als Selbstmord ein?«
    »Natürlich nicht. Noch nicht jedenfalls. Es könnte ein Selbstmord sein. Es könnte ein Unfall sein. Aber es sind noch weitere Untersuchungen nötig. Wir führen eine vollständige toxikologische Analyse durch, und auch für diese Verletzung müssen wir eine Erklärung finden. Sie sehen ja das Muster. Das müsste Ihnen helfen, die Suche im Hotel etwas einzugrenzen.«
    »Haben Sie sich das Zungenbein angesehen?«, fragte Bosch.
    Antons legte die Hände an die Hüften. »Warum sollte ich mir bei einem Springer das Zungenbein ansehen?«
    »Haben Sie nicht eben selbst gesagt, Sie wären noch nicht so weit, um ihn als Springer zu bezeichnen?«
    Antons erwiderte nichts. Er nahm ein Skalpell aus einem Regal.
    »Helfen Sie mir, ihn wieder umzudrehen.«
    »Moment«, sagte Bosch. »Kann ich davon erst noch ein Foto machen?«
    »Ich habe Fotos gemacht. Sie müssten inzwischen ausgedruckt sein. Sie können sie mitnehmen, wenn Sie gehen.«
    Bosch half ihm, die Leiche wieder auf den Rücken zu drehen. Dann öffnete Antons mit dem Skalpell den Hals und entfernte den kleinen, zerbrechlichen Knochen, der die Luftröhre schützte. Er säuberte ihn in einem Waschbecken sorgfältig und untersuchte ihn dann auf der Arbeitstheke unter einem beleuchteten Vergrößerungsglas nach Frakturen.
    »Das Zungenbein ist unversehrt«, sagte er.
    Bosch nickte. Das bewies nichts, weder in der einen noch in der anderen Richtung. Ein Experte könnte Irving erwürgt haben, ohne ihm das Zungenbein zu brechen oder Blutungen in den Augen zu verursachen. Es bewies überhaupt nichts.
    Aber die Aufschürfungen an der Schulter waren eine andere Sache. Bosch spürte, wie sie den Fall in ein völlig neues Licht rückten. Schlagartig. Und sie verliehen dem politischen Aspekt neue Bedeutung.

[home]
    15
    C hu wartete, bis sie auf dem Parkplatz waren, bevor er loslegte. »Was sollte das jetzt wieder, Harry? Was ist hier eigentlich los?«
    Bosch zog sein Handy aus der Tasche. Er musste telefonieren. »Das sage ich dir, wenn ich es dir sagen kann. Du fährst jetzt …«
    »Wie hast du dir das eigentlich gedacht, Harry! Wir sind Partner, Mann, und du ziehst hier ständig deine Einzelkämpfernummer ab. Langsam habe ich echt die Schnauze voll.«
    Chu war stehen geblieben und drehte sich mit ausgebreiteten Armen zu Bosch. Der hielt ebenfalls inne.
    »Ich versuche doch nur, dich zu schützen. Ich muss noch mit jemand telefonieren. Wenn du noch so lang warten kannst, können wir reden.«
    Chu schüttelte unwirsch den Kopf.
    »Du raubst mir mit diesem Scheiß noch den letzten Nerv, Mann. Möchtest du etwa, dass ich ins Büro zurückfahre und dort rumsitze und Däumchen drehe?«
    »Nein, es gibt eine ganze Menge, was du tun kannst. Als Erstes gehst du in die Asservatenkammer und lässt dir Irvings Hemd geben. Lass jemand von der Spurensicherung den Schulterbereich auf der Innenseite nach Blutspuren untersuchen. Es ist ein dunkles Hemd, und gestern ist niemandem was daran aufgefallen.«
    »Wenn also Blut daran ist, wissen wir, dass er sich diese Abschürfungen zugezogen hat, als er das Hemd getragen hat.«
    »Ganz genau.«
    »Und was sagt uns das?«
    Bosch antwortete nicht.
    Er dachte an den

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