Der Widersacher
Ca’ Del Sole in North Hollywood ist?«
»Das finde ich schon.«
»Um acht?«
»Alles klar.«
»Dann bis heute Abend, Harry.«
»Bis heute Abend.«
Bosch beendete das Gespräch und machte einen weiteren Anruf, bei dem niemand mithören sollte. Heath Witcomb war in seiner Zeit bei der Hollywood Division einer von seinen Raucherkumpeln gewesen. Bevor Bosch mit dem Rauchen aufgehört hatte, hatten sie unzählige Male an dem Aschekübel hinter der Polizeistation gestanden. Witcomb war Sergeant bei der Streife und müsste daher Robert Mason, den Streifenpolizisten, der die drei B&W-Fahrer angezeigt hatte, kennen. Außerdem rauchte er immer noch.
»Im Moment ist es ein bisschen ungünstig, Harry«, sagte Witcomb, als er abnahm. »Was brauchst du?«
»Ruf mich einfach an, wenn du das nächste Mal eine rauchen gehst.«
Bosch drückte die Trenntaste. Gerade als er die Tür zum Bereitschaftsraum öffnen wollte, kam Chu nach draußen.
»Harry, wo warst du?«
»Eine rauchen.«
»Hast du nicht aufgehört?«
»Schon. Was gibt’s?«
»Chilton Hardy.«
»Du hast ihn gefunden?«
»Ich glaube, ja. Passt jedenfalls alles.«
Sie gingen in ihr Abteil, und Chu schlängelte sich auf seinen Stuhl vor dem Computer. Bosch beugte sich über seine Schulter, um auf den Bildschirm sehen zu können. Chu drückte auf die Leertaste, um den Computer aus dem Schlaf zu wecken. Der Bildschirm wurde hell, und es erschien das Karteifoto eines etwa dreißigjährigen Weißen mit stachligem dunklen Haar und Aknenarben. Er starrte mit kalten blauen Augen stumpf in die Kamera.
»Chilton Aaron Hardy«, sagte Chu. »Kurz Chill genannt.«
»Wie alt ist das Foto?«, fragte Bosch. »Und wo wurde es aufgenommen?«
» 1985 . In der North Hollywood Division. Körperverletzung eines Polizisten. Er war damals achtundzwanzig und hat in Toluca Lake gewohnt, in einer Wohnung am Cahuenga Boulevard.«
Toluca Lake lag am Rand von Burbank und Griffith Park und somit in unmittelbarer Nähe vom Travel Town Museum, wo Clayton Pell immer mit den Zügen gefahren war, als er bei Chill lebte.
Bosch begann zu rechnen. Wenn Chilton Hardy noch lebte, wäre er jetzt vierundfünfzig Jahre alt.
»Hast du ihn schon in die DMV -Datenbank eingegeben?«
Hatte Chu nicht. Er öffnete ein neues Fenster und gab Hardys Namen in die staatliche Datenbank ein, in der die Personendaten der vierundzwanzig Millionen Führerscheininhaber Kaliforniens gespeichert waren. Chu drückte die Eingabetaste und startete die Suche. Dann warteten sie, ob Hardy darunter war. Die Sekunden vergingen, und Bosch rechnete bereits mit einer Fehlanzeige. Normalerweise blieben Leute, die einen Mord begangen hatten, ohne entdeckt worden zu sein, nicht an der Stätte ihres Wirkens.
»Ha!«, sagte Chu.
Bosch beugte sich weiter zum Bildschirm hinab. Es gab zwei Treffer. Chilton Aaron Hardy, siebenundsiebzig Jahre alt, wohnhaft in Los Alamitos. Und Chilton Aaron Hardy junior, vierundfünfzig Jahre alt, wohnhaft in Woodland Hills, einem Vorort von Los Angeles.
»Topanga Canyon Boulevard«, las Bosch die Adresse des jüngeren Hardy ab. »Allzu weit hat er sich nicht abgesetzt.«
Chu nickte.
»Bloß ins West Valley.«
»Kommt mir fast zu einfach vor. Warum könnte der Typ in der Gegend geblieben sein?«
Chu antwortete nicht. Er wusste, Bosch dachte nur laut nach.
»Lass mal das Foto sehen«, sagte Bosch.
Chu rief das Führerscheinfoto von Chilton Hardy junior auf. In den sechsundzwanzig Jahren seit seiner Festnahme in North Hollywood waren ihm fast alle Haare ausgegangen, und seine Haut war fahl geworden. Die Jahre eines schweren Lebens hatten sein Gesicht zerfurcht. Aber die Augen waren immer noch dieselben. Kalt und mitleidlos. Bosch studierte das Foto eine Weile, bevor er zu sprechen begann.
»Na also, gut gemacht. Druck es aus.«
»Fahren wir zu Mr. Hardy?«
»Noch nicht. Wir lassen uns Zeit und gehen mit äußerster Vorsicht vor. Immerhin hat sich Hardy so sicher gefühlt, dass er die ganze Zeit hiergeblieben ist. Wir müssen gut vorbereitet sein, wenn wir bei ihm anrücken. Druck sowohl die alten als auch die neuen Fotos aus und bereite zwei Sechserpacks vor.«
»Zeigen wir sie Pell?«
»Ja, und vielleicht machen wir einen kleinen Ausflug mit ihm.«
Während Chu die Karteifotos aufrief und alles für eine Fotogegenüberstellung vorbereitete, ging Bosch zu seinem Schreibtisch. Er wollte gerade Hannah Stone anrufen, um ihr von ihrem Vorhaben zu erzählen, als eine SMS seiner Tochter
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