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Der widerspenstige Planet

Der widerspenstige Planet

Titel: Der widerspenstige Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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in nichts unterschied, ging draußen vorbei. Goodman hörte einen dumpfen Knall, sah den Mann taumeln und schließlich auf das Pflaster stürzen.

    Melith hatte ihn mit dem Gewehr erschossen.
    »Warum haben Sie das getan?«, rief Goodman.
    »Das war ein potenzieller Mörder«, sagte Melith.
    »Was?«
    »Natürlich. Wir haben zwar keine eigentlichen Verbrechen hier, aber mit der Möglichkeit müssen wir immer rechnen.«
    »Was hat er getan, um ihn als potenziellen Mörder zu bezeichnen?«
    »Fünf Leute umgebracht«, verkündete Melith.
    »Aber – verdammt nochmal, das ist doch nicht fair! Sie haben ihn nicht verhaftet, nicht vor Gericht gestellt, keinen Anwalt …«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Melith etwas verärgert. »Wir haben keine Polizei, die solche Leute verhaften könnte, und wir verfügen über kein Justizsystem. Du lieber Himmel, Sie werden doch nicht verlangen wollen, dass ich ihn einfach weitermachen lasse, oder? Bei uns wird jemand ein Mörder genannt, der zehn Menschen getötet hat, und dieser hier war auf dem besten Weg dazu, einer zu werden. Ich konnte doch nicht einfach ruhig dasitzen. Ich habe die Pflicht, das Volk zu beschützen. Ich kann Ihnen versichern, dass ich genaue Erkundigungen eingezogen habe.«
    »Das ist nicht gerecht!«, rief Goodman.
    »Wer hat das denn behauptet?«, brüllte Melith. »Was hat Gerechtigkeit mit Utopia zu tun?«
    »Alles!« Goodman beherrschte sich mit Mühe. »Gerechtigkeit ist die Grundlage menschlicher Würde, menschlichen Sehnens …«
    »Das sind nur Worte«, meinte Melith mit gutmütigem Lächeln. »Versuchen Sie doch, realistisch zu sein. Wir haben Utopia für menschliche Wesen geschaffen, nicht für Heilige, die kein Utopia brauchen. Wir müssen die Fehler im
menschlichen Charakter akzeptieren und dürfen nicht so tun, als gebe es sie nicht. Polizei und Justizsysteme neigen eher dazu, eine Atmosphäre zu schaffen, in der Verbrechen und ihre Wahrnehmung erst entstehen können. Glauben Sie mir, es ist besser, den Gedanken an ein Verbrechen überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Die überwältigende Mehrheit des Volkes wird hinter Ihnen stehen.«
    »Wenn sich aber das Verbrechen zeigt, was unvermeidlich ist …«
    »Nur die Möglichkeit zeigt sich«, beharrte Melith auf seinem Standpunkt. »Und selbst das kommt viel seltener vor, als Sie glauben. Wenn sie auftritt, werden wir kurz und schmerzlos damit fertig.«
    »Angenommen, Sie treffen den Falschen?«
    »Das ist ausgeschlossen.«
    »Wieso?«
    »Weil jeder, der von einem Regierungsbeamten beseitigt wird, automatisch und gemäß ungeschriebenem Gesetz ein potenzieller Verbrecher ist«, erwiderte Melith.
    Marvin Goodman schwieg lange Zeit. Dann sagte er: »Ich sehe, dass die Regierung doch viel mehr Macht hat, als ich bislang angenommen habe.«
    »Gewiss«, sagte Melith. »Aber längst nicht so viel, wie Sie jetzt wieder glauben.«
    Goodman lächelte ironisch. »Und ich kann die Höchste Präsidentschaft immer noch antreten, wenn es mir beliebt?«
    »Selbstverständlich. Ohne jede Verpflichtung. Wollen Sie denn?«
    Goodman dachte einen Augenblick angestrengt nach. Wollte er die Präsidentschaft wirklich? Nun, irgendjemand musste ja regieren. Jemand musste die Leute beschützen. Jemand musste in diesem utopischen Irrenhaus ein paar Reformen durchsetzen.

    »Ja, ich will«, sagte er.
    Die Tür sprang auf und Präsident Borg stürzte herein. »Wunderbar! Ausgezeichnet! Sie können heute noch in das National Mansion einziehen. Ich habe schon seit einer Woche gepackt und nur noch darauf gewartet, dass Sie sich endlich entscheiden.«
    »Man wird doch sicherlich gewisse Formalitäten …«
    »Keine Formalitäten«, sagte Borg, dem der Schweiß auf der Stirn stand. »Nichts. Wir übergeben Ihnen lediglich das Präsidentensiegel und dann streiche ich meinen Namen von der Tafel und setze den Ihren ein.«
    Goodman sah Melith an. Das Gesicht des Einwanderungsministers war ausdruckslos.
    »Also gut«, sagte Goodman.
    Borg griff nach seiner Amtskette mit dem Siegel und begann sie sich über den Kopf zu ziehen – als sie plötzlich und mit lautem Knall explodierte.
    Entsetzt starrte Goodman Borgs blutigen, verwüsteten Schädel an. Der Präsident taumelte und stürzte zu Boden.
    Melith zog sein Jackett aus und breitete es über Borgs Kopf, Goodman wankte zu einem Stuhl und setzte sich schwerfällig. Sein Mund öffnete sich, aber kein Ton kam heraus.
    »Wirklich bedauerlich«, sagte Melith. »Er war dem Ende seiner

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