Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)
er beinahe sauber. Darüber hinaus schien er – doch das hätte sie ihren Freundinnen nie gestanden, weil sie sie dafür mit Recht zur Hölle geschickt hätten – ziemlich galant zu sein. Und Galanterie war tatsächlich ein altmodisches, ja völlig überholtes Konzept.
Das Protokoll in puncto Gleichberechtigung der Geschlechter im Quartier Chaud bewertete es als ziemlich unhöflich, wenn ein Mann einer Frau zu Hilfe kam. Doch obwohl Odette eine glühende Verfechterin des ImPuritanismus und seiner Überzeugungen war, musste sie zugeben, dass es wirklich erfrischend war, einen Mann zu treffen, der sich noch auf die ritterliche Liebe verstand, wie sie in ihren geliebten Groschenromanen beschrieben wurde. So gesehen war der dicke Anglo ein Atavismus. Der mächtigen Stirn nach zu urteilen musste er tatsächlich aus der Zeit der Neandertaler stammen. Sie vergewisserte sich vorsichtshalber, dass er auch wirklich aufrecht ging.
Auch wenn sie es nicht gerne zugab, angesichts des ritterlichen Gebarens dieses Mannes fühlte sie sich plötzlich sehr mädchenhaft. Noch nie war man ihr in einer brenzligen Situation zu Hilfe gekommen, und sie genoss es. Sie ignorierte das Kichern ihrer Freundinnen, schenkte dem galanten Anglo ein strahlendes Lächeln und beschloss, der Liebe ihren Lauf zu lassen.
Burlesque wusste nicht, was ihn dazu bewogen hatte, der Frau zu Hilfe zu eilen. Er war noch nie besonders romantisch gewesen – eigentlich war er überhaupt nicht romantisch veranlagt –, daher konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, was ihn geritten hatte, den Ritter zu spielen und ihr seine Unterstützung anzubieten.
Ob sie seine Hilfe nun benötigte oder nicht, war eine rein akademische Frage, denn inzwischen projizierte der Franzmann seine ganze Wut auf Burlesque.
» Va te faire foutre, sale Anglo de merde« (Verpiss dich, du Scheißanglo.), herrschte er Burlesque an, und obwohl der nicht ganz verstand, was der Kerl gesagt hatte, wusste er doch, dass es nicht freundlich gemeint gewesen war. Und dass er ihn gegen die Schulter gestoßen hatte, war auch nicht besonders erbaulich.
»Verpissez-vous aussi, Mon-siu le France-main. Par-ce que sonst je vais hauer sur votre tête très fort. Capiche?«
Stirnrunzelnd versuchte der Mann Burlesques seltsames Patois zu entziffern. Als er damit fertig war, zog er ein sehr großes, gefährlich aussehendes Messer aus dem hinteren Teil seines Gürtels und fuchtelte damit vor Burlesques Nase herum. Augenblicklich scharrten ringsum die Stühle, als die Gäste höflich Platz für die beiden Streithähne machten.
Burlesque seufzte. Das war das Letzte, was er wollte: in eine Schlägerei zu geraten. Schlägereien brachten es mit sich, dass man die Aufmerksamkeit auf sich zog. Doch da die französische Tussi ihn immer noch anstarrte, konnte er es sich unmöglich leisten, jetzt den Schwanz einzuziehen. Er hatte sich aufgemacht, ihre Ehre zu verteidigen, und wenn er sah, wie leicht sie bekleidet war, gab es eigentlich herzlich wenig an Ehre, die man hätte verteidigen können. Trotzdem würde er sich nicht lumpen lassen.
Obwohl er unter dem Mantel seinen Webley im Gürtel stecken hatte, beschloss er, zu einem subtileren Mittel zu greifen, um dem streitsüchtigen Franzmann das Maul zu stopfen. Etwas, das nicht die Bullen auf den Plan brachte. Er hatte noch einen Trumpf im Ärmel: einen mit Bleikugeln gefüllten Gummischlauch, den er als Totschläger benutzte. Er schüttelte kurz den Arm und hatte ihn in der Hand. Dann zog er ihn dem Kerl über die Birne, der ohne weiteren Kommentar zu Boden ging.
Zu seinem Entzücken verpasste die Französin dem Kerl daraufhin noch einen Tritt in die Eier. Eine Frau nach seinem Geschmack!
Odette war schwer beeindruckt. Der komische Anglo hatte kurzen Prozess mit dem Kerl gemacht. Er musste eine Menge Erfahrung haben, was die Leitung von Kneipen betraf. Um Ordnung zu halten, war es nötig, Querulanten mit einem einzigen gezielten Schlag außer Gefecht zu setzen, aber der musste erfolgen, bevor sie auf dieselbe Idee kamen, und außerdem so stark sein, dass sie Ruhe gaben.
Gewiss, körperlich gesehen war der Anglo … na ja, ein bisschen eigenartig. Einen Augenblick spielte sie mit dem Wort »abstoßend«, kam dann aber zu dem Schluss, dass es zu hart wäre. Offensichtlich mochte er sie, und ihr Erfolg bei Männern hielt sich in letzter Zeit gelinde gesagt in Grenzen, also beschloss sie, nett zu sein. Sie schenkte ihm ein ermutigendes Lächeln und wippte
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