Der Widerstand: Demi-Monde: Welt außer Kontrolle 2 (German Edition)
guten Engel Euch vor dem Zorn des Großinquisitors bewahren.«
»Und möge ABBA Euch segnen, Schwester«, antwortete Florence ebenso leise, als sich die Tür öffnete und ein uniformierter Diener sie hereinwinkte.
Das Arbeitszimmer des Abbé war in grelles Licht getaucht. Einen Augenblick kniff Schwester Florence die Augen zusammen, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte.
»Schwester Florence?«, begrüßte sie eine Stimme hinter dem Lampenschirm. Sie war dunkel wie Mahagoni und feierlich tief.
Florence neigte den Kopf vor dem grellen Licht und konnte so die Silhouette von Abbé Niccolò erkennen, der hinter einem riesigen Schreibtisch am Ende des Raumes saß. »Fürwahr, ich bin Schwester Florence, Euer Gnaden, Oberin des Heiligen und All-Sehenden Klosters der Visuellen Jungfrauen, dem ImPuritanistischen Glauben und Gewissen verpflichtet und durch das Gelöbnis des Gehorsams gehalten, ABBA s Werk zur Förderung des Wohlstandes und des Friedens des Heiligen Stuhls von Venedig zu unterstützen.«
»Möge ABBA dich segnen, mein Kind. Tritt näher.«
Florence tat wie ihr befohlen und schritt langsam über den Marmorboden, während sie ihre außerordentlichen Talente in der Kunst des fiduziarischen Sexes ausspielte. Wie alle Visuellen Jungfrauen hatte man sie gelehrt, ihre unvergleichliche Schönheit zu benutzen, um ihre Beute abzulenken, zu entwaffnen und sich von ihrer Aura ihre verborgensten Geheimnisse offenbaren zu lassen. Instinktiv verlangsamte sie ihren Schritt, um ihre Bewegungen so anmutig und verführerisch wie möglich zu gestalten und somit zu signalisieren, dass sie eine begehrenswerte Frau war. Begehrenswert, aber unnahbar.
Visuelle Jungfrauen gaben sich niemals Männern oder Frauen hin, sondern ließen sich ausschließlich in der Phantasie ihrer Beute erobern. Alle Visuellen Jungfrauen wussten, dass die Vorstellungskraft das stärkste Aphrodisiakum der Welt war. Seelen fing man mit der Phantasie, nicht mit einem Netz.
Beim Gehen erkannte sie, wie Abbé Niccolò sie aufmerksam und zugleich genüsslich beobachtete. Sie unterdrückte ein triumphierendes Lächeln: Nur wenige Männer wussten, wie schwach sie waren und wie leicht ihr Wille von einer Frau kontrolliert werden konnte.
Vor dem Schreibtisch blieb sie stehen, und einen stummen Augenblick lang musterten sich der Abbé und Schwester Florence gegenseitig. Der Abbé trug eine einfache Halbmaske aus Leder, sodass Florence erkennen konnte, wie wenig man ihm seine neunundsechzig Jahre ansah. Sein Haar war noch schwarz, die weißen Zähne gerade und seine Haut straff. Nach außen machte er einen vitalen und energischen Eindruck, doch seine Aura war dünn und flüchtig … die Aura eines von Sorgen geplagten Mannes.
Florence verneigte sich demütig; vorgetäuschte Unterwerfung spielte eine gewichtige Rolle bei der Verführung.
Der Abbé lächelte. »Du hast dem Heiligen Stuhl und dem ImPuritanismus treu gedient, Schwester Florence. Die Dogaressa spricht in den höchsten Tönen von dir. Deine Macht als Auralistin ist unübertroffen, und du hast dich als wertvolle Waffe im heiligen Kampf gegen die Feinde Venedigs und die Anhänger Locis erwiesen.«
Schwester Florence verneigte sich abermals. »Ich danke Euch für Euer liebenswürdiges Lob.«
»Doch jetzt habe ich eine neue und wichtige Aufgabe für dich, eine, die entscheidend im Kampf gegen die Kräfte des UnFunDaMentalismus sein wird.«
»Ich bin bereit, der Wahren Kirche mit ganzer Kraft zu dienen, Euer Ehren.«
Machiavelli erhob sich hinter seinem Schreibtisch und ging auf sie zu. »Man hat dich davon unterrichtet«, sagte er leise, »dass die Inquisition Lady IMmanual, diese junge Frau, die viele für den Messias halten, gefangen genommen hat und beabsichtigt, sie zu verhören?«
»Für den Messias?«, fragte Schwester Florence.
»So ist es. Man hat sie zum Verhör in die Bastille gebracht. Wenn diese Frau der Messias ist, dann müssen wir alles in unserer Macht Stehende tun, um sie aus den Klauen de Torquemadas und seiner Inquisitoren zu befreien. Doch ehe wir zur Tat schreiten, müssen wir ganz sicher sein, dass sie tatsächlich der Messias ist, und dazu benötigen wir deine esoterischen Fähigkeiten.«
Ohne auf ihre Antwort zu warten, trat Machiavelli zu einer getäfelten Wand und drückte an einer bestimmten Stelle dagegen. Augenblicklich tat sich eine Geheimtür auf. »Durch diese Tür habe ich direkten Zugang zur Welt der Dunklen Charismatiker, mitten in der Bastille. Wenn du
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