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Der Widerstand

Der Widerstand

Titel: Der Widerstand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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unterwerfen, der seine Überlegenheit nach jenen Maßstäben demonstriert hat, die für die jeweilige Spezies entscheidend sind. Das können rituelle Kämpfe zwischen den Individuen sein, deren Ausgang erkennen lässt, wer von ihnen besser als Führer geeignet ist. Und wer aufgrund dieser unter Beweis gestellten Dominanz ein vorrangiges Recht hat, sein genetisches Erbe weiterzugeben, was auch in diesem Fall dem Wohl der Herde zugutekommt. Unsere Psychologie bezieht ihren eigenen Schatten dieser gleichen Denkweise mit ein. Aber wenn ein Herbivore oder ein Omnivore sich einer demonstrierten Macht unterwirft, die außerhalb der Herde existiert, ist es eine Kombination aus Angstreaktion und der Sorge um das Wohl der Herde als Ganzes, aber kein Anerkenntnis einer natürlichen, erwiesenen Überlegenheit. Er unterwirft sich, um seine eigene Vernichtung zu verhindern und um zu vermeiden, dass er einen Angriff des Feindes auf den Rest der Herde provoziert. Deshalb lassen Individuen sich unter extremen Bedingungen sogar töten – oftmals sogar ohne scheinbare Gegenwehr –, um vom Rest der Herde abzulenken.
    Aber so denken Menschen nicht. Und Sie haben recht: Eine Gesellschaft wie unsere könnte unter Menschen nicht überleben. Ihr Instinkt, sich zu unterwerfen, ist ungleich schwächer als bei uns, und er tritt deutlich hinter den Antrieb des Individuums zurück, Bedrohungen abzuwenden, die sich gegen die Gruppe richten, der seine primäre Loyalität gilt – bei der es sich aber weder um das Rudel noch um die Herde handelt.«
    »Was?« Thikair zwinkerte ungläubig, woraufhin ihre Ohren bestätigend wackelten.
    »Die primäre Loyalität eines Menschen gilt seiner Familiengruppe, Flottenkommandant, nicht der Herde, innerhalb derer die Familie nur einen kleinen Teil verkörpert. Auch nicht dem Rudel, bei dem der Schwerpunkt auf der Stärke und dem Wert für das Rudel liegt. Natürlich finden sich auch Ausnahmen, aber diese Ausrichtung ist die Grundlage für die Motivation der Menschen. Man könnte sie quasi als eine Herde bezeichnen, die aus individuellen Rudeln von Jägern besteht. Menschen sind in der Lage, diese Loyalität über die Familiengruppe hinaus auszudehnen, zum Beispiel auf Organisationen, Gemeinschaften, Nationalstaaten oder Philosophien. Aber der grundlegende Motivationsmechanismus der individuellen Familien ist so tief in ihnen verankert, wie es bei uns mit der Unterwerfung unter den Stärkeren der Fall ist.«
    Sie ließ eine kurze Pause folgen und sah ihn an, als wollte sie ihm Zeit lassen, dieses unbegreifliche Konzept doch irgendwie zu erfassen, dann räusperte sie sich und fuhr in schrofferem Tonfall fort: »Dieser grundlegende Unterschied ist schon schlimm, Flottenkommandant, doch so wie es aussieht, gibt es sogar noch eine Steigerung. Den meisten menschlichen Kulturen, mit denen ich mich bislang beschäftigen konnte, mangelt es sogar an der Fähigkeit einer von Angst ausgelösten Pseudo-Unterwerfung, wie wir sie von der großen Mehrheit der Herbivoren und Omnivoren in der Hegemonie kennen. Sie alle verbindet die gleiche Reaktion von ›Kampf oder Flucht‹, und die Mehrheit wird sich üblicherweise entschließen, vor einem Gegner davonzulaufen, von dem sie glauben, dass sie ihn entweder nicht besiegen können, oder dem sie die Fähigkeit zuschreiben, ihnen schwere Verletzungen zuzufügen, selbst wenn sie ihn am Ende doch besiegen sollten. Sogar diese Reaktion wird aber von dieser Loyalität gegenüber der Familiengruppe übertroffen. Während Herbivoren das Individuum aufgeben, um die Gruppe zu schützen, gehen Menschen immense Risiken ein, um Individuen zu retten. Zu Tausenden treten sie an, um nach einem verschwundenen Individuum zu suchen, vor allem, wenn es sich um ein Junges handelt. Diese Suche unternehmen sie sogar unter Bedingungen, die für sie selbst eine ernste Bedrohung darstellen, und das sogar, wenn sie bereits wissen , dass der verschwundene Mensch bei realistischer Betrachtung längst nicht mehr leben kann. Sie schicken ganze Heerscharen in eingestürzte Minen, um nach ein paar eingeschlossenen Arbeitern zu suchen, die bei ihrem Auffinden aller Wahrscheinlichkeit nach längst tot sein werden.
    Flottenkommandant, mir ist klar, wie bizarr sich das alles anhören muss, aber ich habe Hunderte von Fällen zusammengestellt, bei denen Menschen in brennende Häuser vordringen oder sich anderen, lebensgefährlichen Situationen aussetzen, nur um ein Junges zu retten, das aufgrund seines Alters

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