Der Widerstand
zu vermeiden, und ihre grundlegende Psychologie unterwirft das Wohl des Einzelnen dem Wohl der Herde, selbst wenn das Überleben des Einzelnen auf dem Spiel steht. Die meisten von ihnen definieren den Begriff der Herde mittlerweile als die Bevölkerung eines ganzen Planeten oder einer ganzen Sternennation, aber die Herde ist und bleibt die Grundlage für alle Entscheidungen und Entwicklungen.
Die meisten omnivoren Spezies der Hegemonie lassen mehr oder weniger eine ähnliche Denkweise erkennen, aber einige von ihnen teilen mit uns die psychologische Ausrichtung, bei der nicht die Herde, sondern das Rudel die entscheidende Größe ist. Allerdings sehen sie alle das nicht allzu eng, weil für sie die Suche nach einer Beute zweitrangig ist. Die Suche gehört sehr wohl zu ihrem Überlebensinstinkt, aber sie war für das Überleben nicht vorrangig vor allem anderen. Keine dieser Spezies befand sich in ihren prähistorischen und prätechnischen Phasen an der Spitze der Nahrungskette. Die meisten von ihnen erwarben die Fähigkeit, Werkzeuge zu benutzen, und entwickelten eine Zivilisation vor allem aus dem Grund, dass sie sich von Natur aus nur schlecht als Jäger eigneten. Sie benötigten Werkzeuge und Technologie, um die ihnen eigene Schwäche zu überwinden und um sich vor anderen, besseren Jägern zu schützen. So wie bei den Herbivoren war auch in ihrer Evolutionsgeschichte die Fähigkeit der Flucht vor einer Bedrohung entscheidender für ihre Entwicklung als die Jagd auf Beute.
Unsere Spezies dagegen entwickelte sich im Gegensatz zu allen anderen Mitgliedsrassen der Hegemonie in erster Linie zu Jägern, nicht zur Beute. Bevor wir in die Phase eintraten, in der wir lernten, mit Werkzeugen umzugehen, befanden wir uns fast an der Spitze unserer planetaren Nahrungskette. Deshalb haben wir eine Gesellschaftsstruktur und eine Psychologie entwickelt, die sich an dieser Primärfunktion orientieren, anstatt uns vor anderen Jägern zu schützen. Anders als bei praktisch allen Herbivoren und einer deutlichen Mehrheit der Omnivoren rühmen wir Shongairi uns unserer persönlichen Leistungen, die wir als Beweis für unser Können ansehen. Das hängt alles mit der alten, urzeitlichen Bedeutung zusammen, die dem Geschick des einzelnen Jägers zukommt, der so seinen eigenen Status im Rudel definiert.
Dennoch ist das Rudel immer noch bedeutender als das Individuum. Unser Selbstwertgefühl, das durch unsere Leistungen entsteht, erfährt erst im Zusammenhang mit dem Rudel seine Bestätigung. Und die Unterwerfung des Schwächeren unter den Stärkeren, des Gefolgsmanns unter den Anführer, des Beta oder Gamma unter den Alpha – das alles entsteht aus diesem Zusammenhang heraus. Das ist nicht nur die Grundlage für unseren Ehrenkodex und unsere Philosophie, Flottenkommandant, sondern es steckt in unseren Genen, dass wir uns dem Rudelführer unterordnen, dem einen Individuum, das alle anderen dominiert. Natürlich haben unsere Leute und insbesondere die männlichen Vertreter schon immer die Anführer herausgefordert, denn so stellten die Rudel früher sicher, dass sie auch tatsächlich immer noch einen starken Führer hatten. Doch in unserer Psychologie und unserer Kultur gab es immer klar definierte Linien – Gebräuche, Moral, Traditionen –, die besagten, wie und wann diese Herausforderung präsentiert werden sollte. Nachdem ein Anführer seine Dominanz bestätigt hat, unterwerfen sich ihm die Herausforderer wieder. Unsere ganze Philosophie, unsere Moral, unsere gesellschaftlichen Erwartungen und unsere Vorstellungen von Ehre haben in diesem grundlegenden Punkt ihren Ursprung. Der Schwächere und Unfähigere unterwirft sich zum Wohl der Allgemeinheit dem rechtmäßig stärkeren und fähigeren Vorgesetzten.«
»Selbstverständlich«, gab Thikair ein wenig ungeduldig zurück. »Wie sollte eine Gesellschaft wie unsere sonst überleben? Außerdem haben wir die gleiche Reaktion bei allen anderen fremden Spezies vorgefunden, die mir in den Sinn kommen wollen. Sogar die Unkrautfresser – vielleicht sogar erst recht die Unkrautfresser!«
»Flottenkommandant, zwar mag das Ergebnis das Gleiche scheinen, aber die Reaktion, auf die Sie sich beziehen, beruht auf einer gänzlich anderen psychologischen Grundlage. Der Herbivore oder auch der Omnivore unterwirft sich dem Anführer seines Rudels. Zugegeben, manche Herbivoren – und noch die Omnivoren – weisen oberflächlich betrachtet ähnliche psychologische Neigungen auf, indem sie sich dem
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