Der Widerstand
niemand irgendeine Ahnung, wie das abgelaufen sein kann und wie es möglich gewesen ist, so viele Subsysteme gleichzeitig zu befallen, ohne dass irgendeine Überwachungssoftware angeschlagen hat.«
»Wer war das?«, fragte Palmer. »Wissen wir wenigstens das? «
»Momentan«, erwiderte Sutcliffe in einem Tonfall, als würde er sich lieber vor ein Erschießungskommando stellen, »deutet alles darauf hin, dass die Quelle sich im Iran befindet, Madam Präsidentin.«
»Im Iran?« Hatte Palmer schon mit Entsetzen auf das Ausmaß des Angriffs reagiert, schien sie jetzt regelrecht unter Schock zu stehen. »Sie wollen damit sagen, diese Irren in Teheran haben das geschafft? Wollen Sie das damit sagen, General Sutcliffe?«
»Wir haben den Weg zu einem Café in der Nähe des iranischen Verteidigungsministeriums in Teheran zurückverfolgen können, Madam Präsidentin. Soweit wir das im Moment sagen können, hat der Angriff dort begonnen.«
»Herr Jesus«, flüsterte die Präsidentin, doch es war als Stoßgebet gemeint, nicht als Fluch. Sie saß da und sah Sutcliffe eine Weile an, dann drehte sie sich zum Heimatschutzminister um, der gemeinsam mit den Direktoren von CIA und FBI dem Verteidigungsminister gegenübersaßen.
»Frank?«, sagte sie leise.
»Harriet«, erwiderte Frank Gutierrez. »Wir wissen es nicht.« Gutierrez war der einzige Anwesende, der die Präsidentin gewohnheitsmäßig mit dem Vornamen anredete und sie auch duzte, da sie beide sich seit fast dreißig Jahren kannten. Das war auch der Grund, weshalb er ausgewählt worden war, um den Heimatschutz zu leiten. »Unsere eigenen Computerleute erzählen uns das Gleiche, was General Sutcliffe von seinen Leuten zu hören bekommen hat. Aber was rede ich da? Die meisten von ›unseren‹ Computerleuten sind ja gleichzeitig auch ›seine‹! Keiner von ihnen hat so was jemals zuvor gesehen, und sie bestätigen alle – und damit meine ich auch wirklich alle, Harriet –, dass dieser Trojaner aus Teheran gekommen ist.«
Palmer nickte bedächtig, ihr Gesicht war kreidebleich. Niemand musste ihr sagen, wie verheerend das Ganze sein konnte. Allein der Gedanke, auf welch unglaubliche Datenmengen zugegriffen worden war, hatte etwas Lähmendes an sich. Übertroffen wurde dieses Entsetzen nur noch dadurch, dass die Daten in die Hände des wohl ärgsten Feindes der Vereinigten Staaten gelangt waren. Wenn sie sich vorstellte, was die iranische Regierung mit einem solchen Blick in die Geheimdienstnetzwerke alles hatte in Erfahrung bringen können, darunter vielleicht die Listen mit allen CIA-Agenten, die weltweit im Einsatz waren, so wurde ihr speiübel. Und das betraf noch nicht einmal …
»Glaubst du, das hat etwas mit der Operation Sunflower zu tun?«, fragte sie prompt.
»Das lässt sich nicht mit Sicherheit sagen«, gab Gutierrez zurück. »Wenn man allerdings bedenkt, woher der Angriff kam, dann können wir es uns wohl kaum leisten, so zu tun, als sei das bestimmt nicht der Fall. Außerdem …«
Diesmal war Gutierrez derjenige, der kurz innehalten und tief durchatmen musste.
»Außerdem«, fuhr er schließlich fort, »gibt es Hinweise darauf – allerdings noch sehr vorläufige Hinweise, für die es bislang keine Bestätigung gibt – dass es nicht nur uns getroffen hat. Jeder scheint das im Augenblick noch vertuschen zu wollen, aber ich habe sehr eigenartige Anfragen von meinen französischen und britischen Kollegen erhalten. Für den Moment mauern wir, und ich habe meinen Leuten gesagt, dass es nach diesem Treffen möglicherweise eine Mitteilung an unsere Freunde geben wird. Aber nach den Fragen zu urteilen, hat es sie auch erwischt, oder aber sie wissen, dass es uns erwischt hat, und sie wollen erfahren, wie schlimm es ist.«
Palmers Nasenflügel blähten sich auf. »Sunflower« war der harmlose, von einem Computer erzeugte Codename der Heimatschutzanalytiker für eine angebliche iranische Operation. Die diversen Geheimdienste hatten in den letzten Jahren immer wieder Andeutungen in dieser Richtung gehört, auch wenn es ihnen gelungen war, das Ganze so für sich zu behalten, dass außerhalb der Geheimdienste niemand Wind davon bekam … jedenfalls bislang.
Bedauerlicherweise beschlich die Präsidentin das ungute Gefühl, dass sich das bald ändern könnte.
Die zunehmend isolierten iranischen Hardliner hatten nie einen Hehl aus ihrem Hass auf alles Westliche, insbesondere die USA und Israel gemacht. Wie es schien, waren die Einschätzungen des Westens, ab wann
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