Der Widerstand
einen der seltenen Rückflüge in die Staaten erwischt, der mit einer fast leeren Maschine unternommen wurde. Die Air Force benötigte den großen Vogel dringend woanders, also musste er auf schnellstem Weg heimkehren. Mit einem volleren Tank als üblich und nur dreißig bis vierzig Passagieren war die Strecke bis nach Aviano ohne aufzutanken zurückzulegen. Also konnte er sich auf einen gut sechsstündigen Flug freuen, vorausgesetzt, der Wind spielte mit.
Es wäre ihm lieber gewesen, diesen Flug zusammen mit seinen Leuten zu unternehmen, aber der abschließende Papierkram für die Rückkehr der Ausrüstung der Bravo-Kompanie hatte ihn dann länger aufgehalten als geplant. Andererseits ergab das für ihn die Möglichkeit, dass er trotz seines alles andere als luxuriösen Transportmittels die Strecke in deutlich kürzerer Zeit zurücklegen konnte. Und wenn er sich eines in seinen Jahren im Armeedienst angeeignet hatte, dann war das die Fähigkeit, jederzeit und überall zu schlafen.
Sogar hier, dachte er und wand sich, bis er eine Sitzposition gefunden hatte, von der er sich einreden konnte, dass sie einigermaßen bequem war. Dann schloss er die Augen. Sogar hier.
»Daddy!« Die vier Jahre alte Shania streckte die Arme aus und strahlte über das ganze Gesicht, während sie sich ihm von der fünften Stufe der Treppe in der festen Überzeugung entgegenwarf, dass ihr Daddy sie schon auffangen würde. »Du bist zu Hause! Du bist zu Hause!«
» Natürlich bin ich das, meine Süße!«
Buchevskys Stimme hörte sich fremd an, fand er selbst, dennoch fing er lachend das Mädchen im Flug auf und drückte es so an sich, dass es auf einem seiner Arme sitzen konnte. Als er die Kleine zu kitzeln begann, wand sie sich jauchzend und versuchte, sich zur Seite zu ducken, um seinen Fingern zu entkommen. Ihre winzigen Hände bekamen seine Hand zu fassen, und sie klammerte sich mit einer Faust an seinem Daumen fest, die andere legte sich um seinen Zeigefinger. Gleichzeitig strampelte sie mit den Füßen und trat ihn immer wieder gegen die Brust.
»Hör auf!«, kreischte sie vergnügt. » Hör auf, Daddy!«
»Ja, klar, das sagst du jetzt! «, antwortete er lachend, drückte die Lippen an ihren Hals und begann zu prusten. Shania quiekte ausgelassen, dann richtete er sich auf und gab ihr einen Kuss auf den Kopf.
»Mir auch, Daddy!«, rief eine andere Stimme empört. »Mir auch!«
Er sah nach unten, und als er die vierjährige Yvonne sah, wusste er, wieso sich seine Stimme so fremd anhörte. Shania war drei Jahre älter als Yvonne, und beide konnten nur gemeinsam vier sein – das Alter, das ihm bei seinen Mädchen am liebsten gewesen war –, wenn das hier ein Traum war. Er nahm seine Stimme wie eine Aufzeichnung wahr, die abgespielt wurde, weshalb sie auch so fremd klang.
Sein schlafender Verstand erkannte den Traum, und in einem Winkel seines Geistes entstand die Erkenntnis, dass er vermutlich wegen der Scheidung so etwas träumte. Er wusste, er würde seine Mädchen noch seltener sehen als bisher, ganz gleich, welche Mühe er und Trish sich auch gaben. Weil er sie so sehr liebte, ohne Rücksicht darauf, wo er sich gerade befand, sehnte er sich von ganzem Herzen danach, die beiden an sich gedrückt zu halten, damit sie ihre zierlichen Arme um seinen Hals schlingen konnten.
Weil er diese Dinge wusste und weil er sich so sehr nach ihnen verzehrte, sah sein Verstand über die Tatsache hinweg, dass er eigentlich träumte. Er verdrängte den Lärm und die Vibrationen der Transportmaschine und vergrub sich ganz tief in die liebevolle Erinnerung an einen Augenblick in der Vergangenheit, der sich so nie zugetragen haben konnte.
»Ja, dir natürlich auch, Honey Bug!«, erwiderte der Traum-Stephen lachend, beugte sich vor und legte einen Arm um Yvonne, um sie hochzunehmen. Dann hielt er seine beiden Töchter in den Armen und überschüttete sie mit Küssen.
Der plötzliche, heftige Ruck nach Steuerbord riss Buchevsky aus seinem Traum, und sofort setzte er sich aufrecht auf seinem Platz hin, während das Flugzeug in eine noch steilere Kurve flog. Das laute, dröhnende Aufheulen der Motoren verriet ihm, dass der Pilot zur Kursänderung auch noch abrupt beschleunigt hatte. Alle seine Instinkte sagten ihm, dass er den Grund dafür lieber nicht erfahren hätte, was ihn aber nicht davon abhielt, ihn erfahren zu wollen. Genau genommen …
»Hört mal alle zu!«, meldete sich in dem Moment eine raue Stimme, die über die Bordsprechanlage sehr
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