Der wilde Planet
des Nutzungsvertrags mit der Kolonialverwaltung zu erfüllen. Dazu zählten ein Geologe, eine Biologin und ein verzweifelter Xenolinguist, der eigentlich nach Uraill geschickt werden sollte, aber durch verschiedene bürokratische Pannen auf Zara XXIII gelandet war. Er war verpflichtet, so lange zu bleiben, bis man den Papierkram in Ordnung gebracht hatte, was bislang schon zwei Standardjahre beansprucht hatte, ohne dass sich der Ansatz einer Lösung zeigte. Der Xenolinguist, der bezahlt wurde, aber nichts zu tun hatte, verbrachte seine Zeit damit, Krimis zu lesen und zu trinken.
Jack Holloway war dem Xenolinguisten einmal bei einer ZaraCorp-Feier begegnet, an der er nur gezwungenermaßen teilgenommen hatte. Bei dieser Gelegenheit hatte er von dem leicht angeheiterten Mann alles erfahren, was es über die phonologischen Komplexitäten des weit verzweigten Stammbaums der Urai-Sprachen zu wissen gab und welche Bedeutung die drei zusätzlichen Zungen der Urai in diesem Zusammenhang hatten. Nachdem er das eine Stunde lang ertragen hatte, sagte er zu seiner Verabredung, die der Grund für seine Teilnahme an dieser Feier gewesen war, dass sie sich allergrößte Mühe geben müsste, wenn sie das wiedergutmachen wollte. Das hatte sie dann getan. Sie war die Biologin.
Und sie war die Person, die Holloway in diesem Moment beobachtete.
Isabel Wangai hingegen sah Holloway nicht. Sie starrte auf ihr Infopad, als sie aus dem Bürogebäude kam, in dem sie arbeitete, und er stand auf der anderen Straßenseite – zusammen mit Carl, den er an die Leine genommen hatte. Carl hatte Isabel ebenfalls gesehen und wedelte sofort wie verrückt mit dem Schwanz. Holloway blickte nach links und rechts, doch auf der Straße gab es nur Fußgängerverkehr. Er ließ Carl von der Leine, und der Hund rannte quer über die Straße auf Isabel zu.
Isabel wirkte für einen kurzen Moment überrascht, als sie von einem Hund angesprungen wurde, doch als sie das Tier erkannte, stieß sie einen entzückten Schrei aus und ging in die Knie, um ihre lang vermisste Dosis Hundezuneigung entgegenzunehmen – oder einfacher formuliert: sich das Gesicht ablecken zu lassen. Sie zog verspielt an Carls Ohren, als Holloway sich näherte.
»Er freut sich, dich zu sehen«, sagte Holloway.
»Ich freue mich genauso über ihn«, sagte Isabel und küsste den Hund auf die Nase.
»Freust du dich auch, mich zu sehen?«, fragte Holloway.
Isabel blickte zu Holloway auf und lächelte ihn auf ihre unverwechselbare Art an. »Natürlich freue ich mich. Sonst würde ich kaum dazu kommen, Carl wiederzusehen.«
»Nett«, sagte Holloway. »Dann werde ich meinen Hund jetzt wieder mitnehmen.«
Isabel lachte, stand auf und hauchte Holloway einen freundschaftlichen Kuss auf die Wange. »So! Zufrieden?«
»Schon besser«, sagte Holloway. »Danke.«
»Keine Ursache.« Isabel wandte sich dem Hund zu, klatschte in die Hände und streckte sie aus. Carl sprang hoch und legte die Pfoten in ihre Hände, um sie sich schütteln zu lassen. »Bist du aus einem bestimmten Grund hier oder sechshundert Kilometer weit gereist, damit ich Carl wiedersehen kann?«
»Ich habe etwas Geschäftliches mit Chad Bourne zu erledigen«, sagte Holloway.
»Das klingt nach jeder Menge Spaß.« Isabel warf Holloway einen Seitenblick zu. »Seid ihr beiden immer noch dabei, euch bis aufs Blut zu bekämpfen?«
»Jetzt kommen wir wunderbar miteinander zurecht.«
»Aha?«, sagte Isabel. »Ich habe dich oft genug lügen gehört, um zu erkennen, dass du es in diesem Moment tust, Jack.«
»Dann will ich es anders formulieren.« Holloway zog den Sonnenstein hervor, den er mitgebracht hatte. »Seit kurzem gibt es einen guten Grund für Chad, mit mir zurechtzukommen.«
Als Isabel den Stein sah, entließ sie Carl aus dem doppelten Händedruck und streckte einen Arm in Holloways Richtung aus. Er legte ihr den Stein in die Hand. Sie hielt ihn ins Sonnenlicht und ließ die eingeschlossenen Kristalle schimmern.
»Er ist ziemlich groß«, sagte sie schließlich.
»Nicht so groß wie einige der anderen.«
»Hmmm.« Isabel sah sich den Stein genauer an. Dann schloss sie die Hand darum und blickte Holloway an. »Also hast du endlich einen Volltreffer gelandet.«
»Sieht so aus«, sagte Holloway. »Nach der akustischen Lotung hat die Sonnensteinader eine Breite von hundert Metern und scheint noch über den Bildrand hinauszugehen. Und an manchen Stellen ist sie mehr als vier Meter dick. Das könnte die fetteste Ader aller
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