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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Geplapper zu hören. Aber es war ein anderer, und ich weiß nicht, ob er wirklich zur Gattung der »Milchhühner« gehörte, obwohl sein Äußeres weiß Gott dem widersprach, was Mariette unter einem Mannsbild verstand.
    »Meine Herren«, sagte der Page, nachdem er sich ausgiebig verbeugt und den Fußboden mit seinem Federhut gewischt hatte – Mariette stand derweile mit vorm Bauch gekreuztenArmen auf der Schwelle und ließ sich keinen Deut dieser Zeremonie entgehen –, »ich bin Euer sehr untertäniger Diener. Wer von Euch, meine Herren, ist der Chevalier de Siorac?«
    »Ich, Monsieur.«
    »Dann habe ich Euch, Monsieur, zu eigenen Händen und eigener Person dieses Sendschreiben Seiner Majestät zu überreichen.«
    Damit machte er wieder eine, diesmal nur für mich bestimmte Verbeugung.
    »Ich danke Euch, Monsieur«, sagte ich, indem ich den gefalteten Brief entgegennahm.
    »Monsieur«, sagte mein Vater, »wollt Ihr ohne viel Umstände unser Frühmahl teilen.«
    »Großen Dank«, sagte der Page, »ich wäre irrsinnig entzückt, aber es geht nicht. Ich habe noch ein Schreiben zu überbringen, und die Zeit spornt mich.«
    Er lächelte allerliebst und schien so beglückt über seine Metapher, daß er sie gleich wiederholte.
    »Ja, leider spornt mich die Zeit. Monsieur, ich bin Euer sehr untertäniger Diener.«
    »Was ist denn das, mein Sohn!« sagte mein Vater, sowie der Page entflogen war, »ein Schreiben des Königs an Euch persönlich! In Eurem Alter! Wahrhaftig, wenn das keine gewaltige Ehre ist! Seid Ihr neuerdings«, fuhr er in einem Ton gespielter Eifersucht fort, die vielleicht nicht ganz gespielt war, »in des Königs Gnade an meine Stelle gerückt? Ich soll wohl allmählich an meinen Rückzug denken?«
    »Aber, mein Junge«, sagte La Surie, »was habt Ihr denn? Steht da sprachlos mit zitternden Händen! Nur zu, öffnet den Brief! Die Nachricht kann nur gut sein, wenn der König Euch selber schreibt. Um Euch in die Bastille zu sperren, hätte er Monsieur de Vitry geschickt. Oder solltet Ihr insgeheim einen Raub begangen, eine Jungfer vergewaltigt oder einen Chorknaben verführt haben?«
    »Miroul!« sagte mein Vater.
    Schließlich erbrach ich das königliche Siegel, entfaltete den Brief, las ihn und verharrte ohne Stimme und wohl auch ohne Farbe, denn mein Vater füllte ein Glas mit Wein und reichte es mir wortlos. Ich trank es auf einen Zug leer und setzte mich. Die Beine wollten mich nicht tragen.
    »Na, was ist?« fragte La Surie, den die Neugier fast umbrachte.
    »Der König«, sagte ich mit erloschener Stimme, »fährt nach Saint-Germain-en-Laye. Er will mich mitnehmen, ich soll heute Schlag elf im Louvre sein.«
    »Sagt er auch«, fragte La Surie weiter, »wie lange er da bleiben will?«
    »Vier Nächte.«
    »Herr im Himmel!« sagte La Surie. »Vier Nächte! Das heißt, Ihr werdet fünf Tage im Schloß wohnen.«
    »Monsieur«, sagte mein Vater, »in diesem Reich gibt es keine zwanzig Personen, die der König je zum Besuch des Dauphins mit nach Saint-Germain genommen hat. Ich weiß nicht, ob Ihr überhaupt versteht, welche Gunst er Euch erweist?«
    »Sicher verstehe ich das«, sagte ich mit einer Stimme, die mir in der Kehle steckenblieb.
    »Aber sie scheint Euch nicht sonderlich zu berühren?«
    »Doch, doch ...«
    »Mein Junge«, sagte La Surie, indem er seine verschiedenfarbigen Augen aufsperrte, »sollte Euch Euer Glück gleichgültig sein? Seht Ihr nicht, welche Vorteile es für Euch bringt, wenn der König Euch so nahe bei sich haben will?«
    »Ihr seid doch nicht etwa undankbar, mein Sohn?« sagte mein Vater verärgert.
    Diese Bemerkung traf mich, und ich löste mich aus dem Widerstreit, in dem ich mich verfangen hatte.
    »Weit entfernt, Monsieur!« sagte ich lebhaft. »Ich bin dem König überaus dankbar für seine Güte, und an dem Tage, als er mich zum Chevalier machte, hatte ich mir geschworen, mein ganzes Leben seinem Dienst zu weihen. Aber ...«
    »Aber?« sagte mein Vater, indem er sich trotz seiner gewohnten Selbstbeherrschung kein geringes Staunen über die unerwartete Einschränkung anmerken ließ.
    »Es ist wirklich nicht so«, sagte ich, »daß ich für die außerordentliche Ehre unempfindlich oder gleichgültig wäre, nur kommt sie ungelegen, ich sollte doch heute meine erste Deutschstunde nehmen.«
    Hierauf lächelte mein Vater, aber La Surie brach in ein Gelächter aus, als platze ihm die Kehle.
    »Miroul!« sagte mein Vater.
    »Mein Junge, verzeiht mir«, sagte La Surie, indem er

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