Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
Frömmler mit ihrem mörderischen Haß; die Hugenotten, jederzeit zum Protest bereit; dazu der Adel und seine ewige Bereitschaft zur Fehde; schließlich im Louvre: von seinen Ministern hintergangen, von seinen Mätressen betrogen, mit heftigen Szenen von einer Gemahlin angegriffen, die weder ihn noch den Dauphin besonders liebte; vom Alter und allerlei kleinen Leiden geplagt, tagtäglich bedroht von Dolch und Gift, so daß er fühlen mußte, wie der Tod ihn umlauerte und über alledem seine große Sorge, er könnte einen minderjährigen König und eine unfähige Regentin hinterlassen, die überdies zu keinem Einvernehmen geschaffen waren.
Dieses Mißverhältnis hat Henri vorausgesehen, und er hat es nicht verschwiegen, so sehr quälte es ihn. So sagte er zur Königin einmal im Beisein Bassompierres, der es meinem Vater wiederholte: »Wenn ich bedenke, wie ich Euch kenne, und mir vorstelle, wie Euer Sohn sein wird: Ihr eigensinnig, um nicht zu sagen starrsinnig, Madame, und er so dickköpfig! Da werdet Ihr aber zu tun haben, wenn Ihr Euch zusammenspannt.«
Es gab für ihn wahrlich Anlaß genug, den Tod in der Seele und Trauer im Herzen zu tragen, und dennoch, sagte ich mir – schöne Leserin, bitte, erinnern Sie sich, daß ich erst sechzehn war –, wäre ich König gewesen, wie hätte ich mich der Stärke meiner Heere, meines Ruhms in der Welt und der Befriedung meines Reiches gefreut? Ich wußte noch nichts davon, wie sehr die Freuden, die nicht aus uns selber kommen, sich mit den Jahren und den Gewohnheiten abschleifen. Und wie hätte ich in meinem Alter begreifen können, daß Henri ein zu überlegener Mann war, um über die Eitelkeiten des Ruhmes nicht erhaben zu sein, und ein zu feinfühliger, um die Dornen der Macht nicht stärker zu empfinden als ihre kleineren Annehmlichkeiten?
Die Karosse näherte sich ihrer Bestimmung, denn als ichein Auge durchs Fenster warf, erkannte ich den Wald von Vésinet. In dem Augenblick hob der König den Kopf. Der Waldgeruch hatte ihn belebt, und der Jäger in ihm spitzte das Ohr. Dann sah er auf seine alten Gefährten. »Ihr seid ja so stumm!« sagte er.
»Sire«, sagte »Dummenfürst«, der den Zeitpunkt gekommen sah, das Seil zu betreten, »Vitry ist stumm, weil er sowieso durchschaubarer ist als Glas. Roquelaure ist still, weil er innerlich seine Ecus zählt. Ich schweige, weil ich in meinem Kopf ein ernstes Problem wälzte, aber auf einmal weiß ich die Lösung.«
»Was meinst du?« sagte Henri, um sich dem Spiel nicht zu versagen, doch ohne Schwung.
»Ich hab mich gefragt, warum die Lakaien von Königin Marguerite alle so lange flachsblonde Haare haben.«
»Und weißt du, warum?«
»Ja, Sire. Die Königin wartet, bis sie lang genug sind, dann läßt sie ihnen die Mähnen scheren und macht sich daraus Perücken.«
Der König lachte.
»Was meinst du, Roquelaure, hat der Narr recht?«
»Ich glaube nicht, Sire«, sagte Roquelaure.
»Und du, Vitry, was denkst du?«
»Daß es wahr ist, Sire«, sagte Vitry.
»Es ist wahr«, sagte der König. »So, Dummenfürst, da du dieses Rätsel gelöst hast, kannst du auch das lösen: Warum hat Königin Margots Reifrock ringsum so viele Taschen?«
»Um Vögelchen reinzustecken, die sie sich gezähmt hat«, sagte Angoulevent.
»Nichts so Poetisches«, sagte der König.
»Sie hat Tabatieren drin«, sagte Vitry.
»Nicht doch! Sie schnupft und priemt nicht.«
»Kleine Schachteln mit Moschus und Duftpflanzen«, sagte Angoulevent.
»Die Gefäße stimmen, der Inhalt nicht. Na, was ist in den Schachteln? Siorac? Roquelaure? Vitry? Mein Narr?«
»Sire«, sagte Angoulevent, »ich laß mich hängen, wenn ich es weiß.«
»Also laß dich hängen, Dummenfürst: in den Schachteln sind die einbalsamierten Herzen ihrer verflossenen Liebhaber.«
Man sah sich verdattert an.
»Ist das wahr, Sire?« wagte Vitry endlich zu fragen.
»Wahr«, sagte der König.
Damit lehnte er sich in den Winkel der Karosse zurück, schloß die Augen und fiel wieder in Schweigen. Niemand lachte mehr oder sagte ein Wort.
Am Fuße des Hügels von Saint-Germain, als es galt, das Gespann auf die Fähre zu bringen, stieg der König aus. Das Manöver gelang dem Kutscher unter Fluchen und Peitscheknallen, doch nicht ohne die Hilfe der zwei Gepäckdiener, welche die Kopfpferde beim Zügel faßten, so daß sie sich beruhigten, denn sie setzten die Hufe höchst ungern auf ein so flüssiges Element. Als die Karosse aufgefahren war, ging der König an Bord und
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