Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
Mahlzeit her.
    »Ihr seid ja so vergnügt, mein Sohn!« sagte mein Vater.
    »Das bin ich wirklich, Monsieur.«
    »Dabei erwartet Euch wieder ein langer Unterrichtsmorgen.«
    »Kein Wunder!« sagte La Surie. »Allein der Gedanke an seine Studien jagt Pierre-Emmanuel tausend liebliche Schauer ein. Außerdem erneuert eine gute Siesta dann seine Kräfte, und sei es, indem sie ihn schwächt.«
    »Heute wird sie nur nicht so gut«, sagte mein Vater, der darauf anspielte, daß Toinon seit dem Vortag ihre Kammer hüten mußte, weil sie an Fieber und bösem Husten litt.
    »Das tut mir sehr leid«, sagte ich.
    »Trotzdem«, sagte mein Vater, »seid Ihr fröhlich wie ein Buchfink zur Morgenröte.«
    »Monsieur«, sagte ich und kam mit der Sprache heraus, »Ihr wißt doch den Grund. Ich nehme heute meine erste Deutschstunde bei Frau von Lichtenberg.«
    Eigentlich hätte ich nur von der Deutschstunde zu reden brauchen. Den Namen der Dame zu nennen war unnötig. Aber es machte mir Freude, ihn auszusprechen, so voll Zauber war er für mich.
    »Hast du schon gehört, Miroul«, sagte mein Vater nach einer Weile, vielleicht um La Suries kleiner Stichelei Einhalt zu gebieten, »dieser Saint-Germain, der im Mai enthauptet wurde, hatte es nicht nur auf den König abgesehen, indem er ein Wachsbild von ihm durchbohrte; seine Frau, die sich durch die Flucht nach Flandern gerettet hat, ist seither auch als abgefeimte Giftmischerin erkannt worden.«
    »Das wußte ich nicht, aber für den König fürchte ich, offen gestanden, Gift und Dolch ohnehin mehr als Hexenkünste«, sagte La Surie. »Ich bin entsetzt, wenn ich bedenke, wie vielen Attentaten Henri mittlerweile entronnen ist. Diese Leute von der Liga sind wahrlich Rasende. Und was ist das für eine Religion, die ihnen rät, um der Liebe Gottes willen zu morden?«
    »Es sind leider nicht nur die Ligisten und die Jesuiten; die sind Fanatiker, die glatt ein ganzes Volk ausrotten würden, um der Ketzerei Herr zu werden. Aber es gibt außerdem die großen Herren, die nur an sich selbst glauben und nur nach ihren Interessen fragen. Die würden halb Frankreich an Spanien verschachern, wenn sie sicher wären, sie könnten dafür über die andere Hälfte herrschen.«
    »Aber nicht alle sind so gefährlich«, sagte La Surie. »Bouil lon ist ein Brausekopf, Soissons ein mit Vorurteilen gestopfter Esel, Condé ein armseliger Schuft und Guise ein verschrobener Geck, der sich eine Löwin hält.«
    »Ihr vergeßt den Herzog von Épernon«, sagte mein Vater. »Von allen ist er der Gefährlichste. Ich kenne ihn, ich habe ihn einst wegen eines Geschwürs am Hals behandelt. Und ich konnte diesen arroganten, seelenlosen Kerl nie ausstehen, ein Emporkömmling aus dem Nichts, der sein Glück im BettHeinrichs III. gemacht hat. Er ist skrupellos und unmenschlich, zwar auch Gascogner wie Henri, aber kaltherzig, berechnend, undurchschaubar. Und er hat sich nach Henris Sieg nur darum auf seine Seite geschlagen, weil er Generaloberst der französischen Infanterie bleiben wollte, eine Stellung, die ihm große Macht im Staate einräumt. Eine zu große! Weshalb Henri ihm seine Befugnisse mehr und mehr beschneidet. Und deshalb haßt ihn Épernon.«
    »Er haßt ihn?«
    »Aber gewiß. Und er verhehlt es kaum. Pierre de l’Etoile hat über ihn ein treffendes Wort gesagt, das ich dir aus dem Gedächtnis zitiere: Ehrgeizlinge im Frieden sind wie kältestarre Schlangen. Doch kommt ein Krieg, der sie aufwärmt, verspritzen sie überall ihr Gift.«
    In dem Moment kam Mariette herein, stellte sich mit ihren Quadratfüßen und ihrem Basaltbusen, der fast ihr Mieder sprengte, vor meinen Vater und sagte in ihrem auvergnatischen Akzent, den so viele Jahre in Paris nicht hatten auslöschen können: »Monsieur, da ist so ein junges Milchhuhn im Hof, was den Franz um Einlaß gebeten hat, und wie ich verstanden habe, will das zu Euch.«
    »Ein Milchhuhn? Gerechter Gott, Mariette, was meinst du damit?«
    »Das hat noch keine drei Federn am Schnabel, ist von oben bis unten mit Löckchen und Schleifchen behängt und kommt so geschwänzelt. Aber höflich ist es sehr.«
    Hierauf wurde an die Tür geklopft, und Franz erschien und sagte in ehrfürchtigem Ton: »Monsieur, ein Page des Königs möchte Euch sprechen und Euch eine Botschaft Seiner Majestät überbringen.«
    »Laß ihn eintreten, Franz«, sagte mein Vater.
    Da ich an diesem Morgen so lustig und vergnügt war, hätte es mir Spaß gemacht, Romorantin wiederzusehen und sein geziertes

Weitere Kostenlose Bücher