Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
glänzender Beweis der königlichen Gunst. Mehr kann er nicht tun und Besseres auch nicht!«
Bassompierre, der das Feingefühl selbst war, schien bemerkt zu haben, daß mein Vater diesmal mit anderer Anteilnahme gesprochen hatte als vorher zum Lob von Charlottes Schönheit. Er blickte ihn fragend an, und da er sah, daß mein Vater nicht gesonnen war, mehr zu sagen, warf er einen Blickauf seine Uhr, bat unter dem Vorwand, der König erwarte ihn im Louvre, sich verabschieden zu dürfen, und ging, wie mir schien, ebenso unerfüllt wie verärgert. Sein Rückzug wirkte so überstürzt und, obwohl Bassompierre sich auf Höflichkeit etwas einbildete, so wenig höflich, daß mein Vater sich Vorwürfe zu machen schien, vermutlich indem er sich fragte, ob er gegen Charlotte nicht mehr Vorbehalte verraten hatte, als gut war. Und da er Mariette auf der anderen Seite des Tisches mit hängenden Armen und erschrockener Miene stehen sah, sagte er etwas schroff: »Worauf wartest du, Mariette! Räum den Teller von Monsieur de Bassompierre ab. Du siehst doch, er hat nichts angerührt.«
»Herr Marquis«, sagte Mariette, »diesen Teller faß ich um alles Gold der Bastille nicht an! Jesus, der arme Comte! Ich bete zum Herrn, er möge ihm vergeben, daß er einen Sukkubus heiraten will! Und daß er schon ganz verhext ist!«
»Charlotte de Montmorency ein Sukkubus 1 ! Und woher hast du das, Gevatterin?«
»Ach, Herr Marquis, das ist mal sicher! Ich hab es von meinem Onkel. Er war Diener bei Charlottes Mutter, Louise de Budos, die sich als junge Dirne dem Teufel hingegeben hat dafür, daß er sie mit dem Herrn Konnetabel verheiratete, dem reichsten Mann von Frankreich und dem mächtigsten nach dem König.«
»Sie hat sich dem Teufel hingegeben?« fragte mein Vater stirnrunzelnd.
»Ja, ja, Herr Marquis. Und Todespein hat sie darum gelitten, weil der Teufel einen roten Schwanz hatte wie die Hölle und weil der einem ja doch die Eingeweide verbrennt, wo er hinkommt!«
»Wen kann es da noch wundern«, sagte mein Vater, indem er La Surie ansah, der heimlich lachte, »daß heutzutage so viele Frauen behaupten, sie hätten Umgang mit dem Teufel gehabt?«
»Das sind just die Schamlosen, von denen es heißt, sie haben den Teufel im Leib«, meinte Mariette ungerührt. »Und um auf die Madame Louise zurückzukommen, nachdem der Teufel sie nach Herzenslust genossen hatte, hat er ihr ihreJungfernhaut wieder zugenäht, und in der Hochzeitsnacht hat der arme Konnetabel da nichts wie Feuer gesehen. Bloß daß das Übel schon geschehen war! Und aus dem Samen ist die Charlotte geboren. Daher kommt es, daß sie aussieht wie ein Engel und eine richtige Teufelin ist. Und dazu noch, wie ihre Mutter, eine Ehrgeizlüstriche.«
»Eine Ehrgeizlüstriche?« sagte mein Vater. »Was ist das wieder?«
»Eine andere Art Milchhuhn, denke ich«, bemerkte La Surie.
»Ganz und gar nicht«, fuhr Mariette mit der Miene unendlicher Weisheit fort. »Eine Ehrgeizlüstriche ist eine Frau, die Ehrgeiz und Laster in einem hat.«
»Ehrgeiz und Laster in einem! Großartig! Ich lerne, indem ich dir lausche, Mariette. Ist das alles?«
»Mitnichten, Herr Marquis. Nach der Charlotte hat der Teufel Madame Louise noch einen Sohn gemacht, den man Henri taufte. Aber weil er lange am anderen Ende der Welt war, um da seine Bosheiten und Übel anzustiften (denn zu tun hat er ja überall), fand der Teufel, wie er wiederkam, die Louise wieder schwanger und diesmal vom Konnetabel. Und vor Wut, daß sie ihm ihr Gelöbnis gebrochen hatte, hat er sie erwürgt, wobei er den heiligen Namen Gottes gelästert hat, und hat sie tot liegenlassen, und ihr schönes Gesicht war so entstellt, daß keiner sie mehr wiedererkannte.«
»Hieran siehst du, mein Sohn«, sagte mein Vater, »wie man aus einer Mücke einen Elefanten macht. Louise de Budos war im Tode tatsächlich seltsam entstellt, wie auch Gabrielle d’Estrées, und das ist die einzige wahre Note von dem Lied, das du gehört hast. Alles übrige, Mariette«, sagte er zu ihr, »ist eine verwerfliche Ausgeburt des Aberglaubens, die zum Lachen wäre, wenn sie nicht die Ehre einer großen Familie angreifen würde. Und ich verbiete dir strengstens, diesen Unsinn zu wiederholen, denn der Unsinn könnte dich an den Galgen bringen, dich und deinen Caboche dazu.«
»Aber das habe ich von meinem Onkel!« sagte Mariette, ganz rot vor Scham, »und ich hab nichts Böses dabei gesehen.«
»Ob Böses oder nicht, erzähl diese Geschichte nicht noch
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