Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
bebend nennt, sind meinem Auge hochwillkommen.« – »Oh, pfui!« sagte Romorantin, »das ist ein Geschmack von letzter Gemeinheit! Kein elendes Tier, das nicht den gleichen hätte.«
»Dann bin ich eben ein elendes Tier«, sagte ich ungerührt, »genauso wie Euer Großvater Salignac, Euer Vater und der König.«
»Ach, Siorac!« sagte Romorantin reumütig, »vergebt mir meine Lebhaftigkeit. Ich sprach, ohne zu überlegen und ohne Euch kränken zu wollen.«
»Ihr habt mich nicht gekränkt, Romorantin«, sagte ich lächelnd, »Ihr seid gewiß ein höchst raffinierter Edelmann, aber ich fühle mich nicht schuldig, daß ich es nicht bin.«
»Nicht doch! Ihr scherzt!« sagte er, dabei schleckte er mein kleines Kompliment wie nichts.
Vier hochgewachsene Türsteher in Livree verwehrten einer Menge von Höflingen den Eintritt zur Großen Galerie, die sich müßig und schwatzend davor aufhielten in der Hoffnung, daß die Tür sich, und sei es nur spaltbreit, einmal öffnete, um einen Blick auf die Nymphen der Diana zu erhaschen.
Mit unterschiedlichen Empfindungen betraten wir das Allerheiligste, wenn ich diesen Begriff benutzen darf, um einen Ort zu bezeichnen, den die Anwesenheit von zwanzig jungen und schönen, wohlgeborenen Jungfern in einen Tempel der Weiblichkeit verwandelte und wo ein Ballettmeister waltete, der kaum dem anderen Geschlecht anzugehören schien, so manieriert war seine Haltung, so präziös sein Gebaren.
Für Romorantin war es gewiß eine Prüfung, diese lange Galerie zu durchmessen. Er nahm, während er mir vorauseilte, seine Kopfbedeckung ab und hielt sie vor sein Gesicht, um nichts als die Füße zu sehen und sich schnellstmöglich vor dem »wenig appetitlichen Schauspiel« in Sicherheit zubringen. Ich hingegen folgte ihm ganz gemächlich, spielte, den Hut in der Hand und wie auf Zehenspitzen, den gar nicht Neugierigen, den höchst Bescheidenen, während meine Augen nicht wußten, wohin sie die Blicke zuerst richten sollten vor so vielen Lieblichkeiten und Wonnen.
Die keuschen Nymphen der Diana, die zur Jagd vergoldete Speere schwangen, wahrscheinlich um unsere zarten Männerherzen zu durchbohren, waren in so kurze Tuniken gekleidet, daß sie die Schenkel bis oben hin entblößten. Zu unserer zusätzlichen Verdammnis bestand dieses Kleidungsstück aus einem so dünnen und schmiegsamen Gewebe, daß es die Linien der jugendlichen Körper mehr als erraten ließ. Wahrlich, man fühlte nur zu deutlich das Glück dieser Nymphen, einmal der Unter- und Überröcke ledig zu sein, die ihren Gang sonst beschwerten, der Baskinen, die ihre Brust einzwängten, der engen Schnürmieder und der viel zu engen Schuhe, und sich gleichsam in ihrer natürlichen Gestalt zu bewegen, wie Gott sie zu ihrem eigenen Gefallen und zur Freude der Männer geschaffen hatte.
Durch den ganzen Saal waren in Abständen Glutpfannen aufgestellt, damit die Tänzerinnen sich so halbnackt ergehen konnten, ohne von der Winterkälte bedroht zu sein. Ihr beschleunigter Atem, ihre raschen, wenngleich anmutigen Bewegungen, die den Violinen gehorchten, sowie die Schweißperlen, die man auf allen Stirnen sah, hatten die kleinen Glasgevierte der hohen Fenster beschlagen und eine warme, intime Atmosphäre geschaffen, die gleichzeitig vom odor di femina und den Parfums erfüllt war, mit denen sie sich bestäubt hatten, bevor sie die Arena betraten. Es waren alles dem Hof wohlbekannte, knospende Schönheiten, darunter auch einige Ehrenjungfern der Königin, auch Noémie de Sobol, die mir verstohlen einen zärtlichen Blick zuwarf, und, eindeutig die Schönste von allen, Charlotte de Montmorency, die mich geringschätzig maß und tat, als ob sie mich nicht kenne.
Mir machte das nichts! Ich wußte ja, was das bezaubernde Lächeln, die verheißungsvollen Blicke und anderen Betörungen dieser
Ehrgeizlüstrichen
kosteten! Und hatte ich hier nicht neunzehn andere Mädchen, die mich in meiner Vorstellung über die Verachtung der einen trösteten? Als ich die Galerie, ich sage nicht Romorantin auf dem Fuße folgend, verließ, daer ja einen großen Vorsprung hatte, taumelte ich fast vor Trunkenheit.
»Kommt, Chevalier! Kommt!« rief Romorantin. »Genug mit diesen Frauenzimmern! Wollt Ihr den König warten lassen?«
Aber der König erwartete mich nicht. In seinem Kabinett traf ich nur den Herzog von Bellegarde an, der mir gar nicht erst Zeit ließ, ihn gebührend zu begrüßen, sondern mich umarmte und lachend fragte, wie ich die Nymphen gefunden
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