Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
einmal, meine Gute«, sagte mein Vater in milderem Ton,»wenn du in meinem Hause bleiben willst. Und geh sofort, mir ein großes Feuer in der Bibliothek machen. Greta kann für dich den Tisch abräumen.«
»Großen Dank auch, Herr Marquis«, sagte Mariette, die wohl verstanden hatte, daß ihr Herr in seiner Gütte es ihr ersparen wollte, Bassompierres Teller anzurühren, der natürlich verhext sein mußte, weil der Comte es war.
»Ich hatte solche Fabeln schon über Louise de Budos gehört«, sagte mein Vater, sobald Mariette uns verlassen hatte. »Der Volksmund erklärt sich ein böses Ereignis, das unerklärlich erscheint, mit dem Teufel. Und mögen die Toren derlei auch für wahr halten, schlimmer finde ich – aber so leichtgläubig ist unser Jahrhundert! –, daß selbst ein Alter mit Lebenserfahrung und Verstand wie Pierre de L’Estoile diesem Unfug Glauben schenkt.«
»Aber, mir schien«, sagte La Surie, »daß Ihr Bassompierre zu seiner Heirat auch nicht überschwenglich beglückwünscht habt, und zum Lobe von Charlottes Schönheit wart Ihr gerade nur mit der halben Hinterbacke dabei.«
»Dafür gibt es einen Grund. Pierre-Emmanuel kann ihn Euch nennen.«
Nun erzählte ich La Surie, wie Charlotte de Montmorency, die derzeit gerade fünfzehn Jahre war, mir auf dem Ball der Herzogin von Guise den geschilderten bösen Streich gespielt hatte.
»Eine scheußliche Sache!« sagte La Surie. »Wie kommt es, daß ich nichts davon wußte?«
»Du hattest eben Augen und Ohren woanders«, sagte mein Vater lächelnd.
»Und da war sie erst fünfzehn!« sagte La Surie. »Hat den Großen schöne Augen gemacht und ihre Schenkelchen gezeigt!«
»Den Großen und sogar dem König!« sagte ich.
»Herr im Himmel! Und wenn sie nun doch ein Sukkubus wäre?« sagte La Surie.
»Miroul!« sagte mein Vater.
»Oder, wenn das nicht, dann vielleicht doch, wie Mariette sagt, eine
Ehrgeizlüstriche
?«
Hierauf lachte ich, aber mein Vater nicht.
»Miroul, das reicht!« sagte er. »Unsere Leute könnten dichhören. Und was der Herr sagt, wiederholt eines Tages der Diener. Willst du, daß hier derweise von Bassompierres Frau gesprochen wird, wenn er sie uns zum Diner herbringt?«
Nach dem Tadel, den Mariette sich zugezogen hatte, hörte ihre schwatzhafte Zunge wenigstens in dem Punkte auf zu zappeln, aber nicht ihr Gehirn. Und das erhielt einigen Grund zu glauben, daß der Himmel selbst sich Bassompierres Heiratsplan widersetzte. Bei der Gelegenheit stellte ich fest, daß unsere Leute über die Geheimnisse der großen Familien und manchmal auch über uns oft besser Bescheid wissen als wir, weil es ihr größtes Vergnügen ist, uns zu beobachten und sich untereinander darüber auszutauschen. So erfuhr Mariette auf dem Markt – wo sie einen auvergnatischen Diener des Konnetabels traf –, daß der Alte mit seinen vierundsiebzig Jahren wegen eines heftigen Gichtanfalls das Bett hüten mußte und Charlottes Hochzeit deshalb nicht mehr vor Weihnachten stattfinden würde.
Mariette teilte uns die Neuigkeit mit, während sie bei Tisch bediente, und keiner von uns dreien hätte bemerkt, welche unerhörte Genugtuung ihr dies bereitete, hätte der Rückfall in ihren auvergnatischen Akzent es nicht verraten. Für den, der sie kannte, war es übrigens ganz offenbar, daß sie in der Verzögerung dieser Ehe entweder die Hand Gottes sah oder das Wirken der guten deutschen Fee des Grafen, oder aber das ausnahmsweise Bündnis beider gegen die höllischen Mächte, denen Charlotte entsprungen war.
Im Januar genas der Konnetabel, doch brachte mein Vater aus dem Louvre die Nachricht mit, daß der Herzog von Bouillon große Schwierigkeiten mache, Bassompierre, das heißt dem König, das Amt des ersten Kammerherrn zu verkaufen, das Seine Majestät seinem Favoriten zugedacht hatte.
Das Feilschen drehte sich vor allem um den Preis: Bouillon verlangte 45 000 Livres, der König wollte aber nur 20 000 geben. Doch meinte Bouillon, der Neffe von Montmorency, außerdem, daß Bassompierre für seine Cousine Charlotte nicht hoch genug stünde. Als Tochter des Konnetabels gebühre ihr wenigstens ein Prinz, zum Beispiel der Prinz von Condé. Der König hatte aufgeschrien. Condé liebte mehr die Jagd als die Damen, und außerdem wollte er für Charlotte Bassompierre haben und keinen anderen.
Sein Ton war so fest gewesen, daß mein Vater prophezeite, Bassompierre werde, ob mit oder ohne das Amt des Ersten Kammerherrn, noch vor Ostern Charlottes Gemahl. Er
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