Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman
herab!
»Louis liebt Euch«, sagte er, indem er innehielt und mich aus leuchtenden Augen musterte. »Ihr müßt ihn auch lieben.«
»Sire, könnt Ihr daran zweifeln?«
»Und ihm treu sein, wie Euer Vater es mir gewesen ist. Er wird Freunde sehr nötig haben nach meinem Tod.«
»Oh, Sire!« sagte ich, und Tränen stiegen mir in die Augen, weil er abermals von seinem Tode sprach. »Ihr wißt doch ...«
»Ja, ich weiß. Deshalb bist du ja hier«, fuhr er fort, und er duzte mich zum erstenmal.
Er nahm seinen Marsch wieder auf, wobei er bei jedem Schritt Grimassen schnitt, dann hielt er abermals inne.
»Ich habe Épernon verziehen, daß er mich verraten hat, ebenso Bouillon und auch dem Comte d’Auvergne. Nur dem Marschall Biron habe ich nicht verziehen. Weißt du, warum?«
»Nein, Sire.«
»Biron hatte große militärische Talente. Aber weil er von seiner Wesensart her rebellisch war, fürchtete ich, daß er sie nach mir gegen meinen Sohn mißbrauchen könnte. Er hätte eine große Gefahr für ihn dargestellt.«
Ich entsann mich, daß mein Vater einmal La Surie gegenüber dieselbe Begründung für die Verurteilung Birons geäußert hatte. Aber es war damals nur eine Vermutung gewesen. Heute nun wurde sie mir von dem bestätigt, der die Hinrichtung befohlen hatte.
Hierauf begann der König, mir seinen Brief zu diktieren, und nach dem beendeten Diktat legte er mir jene Empfehlungen ans Herz, die man bereits kennt. Ich war unglaublich stolz, so jung mit einer so wichtigen Aufgabe von ihm betraut zu sein, gleichzeitig entging mir jedoch nicht, daß er mich gerade durch dieses Vertrauen an sich und an seinen Sohn band. Und ich begriff auch den Grund für diese Gunst. Ich war seines Blutes, gewiß, aber ich war es durch eine Frau, die, weil sieeine Frau war, mich niemals regelrecht anerkennen konnte. Ich hatte weder den Rang noch die Privilegien, die einem königlichen Bastard zuerkannt wurden, und würde demnach nie die Macht haben, ihm oder seinem Sohn zu schaden, sofern es mich danach gelüsten sollte. Ich hatte keine andere Wahl als ihm zu dienen. Und zu dieser Wahl bestimmte mich nicht nur Neigung, sondern auch die sprichwörtliche Loyalität meiner väterlichen Vorfahren.
Kaum war der Brief, den ich unterm Diktat des Königs geschrieben hatte, getrocknet und an meinem bloßen Leibe geborgen (in Wahrheit in meiner Hemdentasche), kehrte der König mit mir zurück in den Spielsaal des Dauphins, wo Louis mit seinem bestallten Hofmeister, Monsieur de Gourville, sich inzwischen im Fechten übte. Gourville war ein so großer und massiger normannischer Edelmann, daß er wie ein Goliath anmutete, den keine Schleuder je hätte erschlagen können, schon gar nicht der kleine Degen in der Hand eines achtjährigen Knaben. Doch war dieser Hüne geduldig und gütig und sprach zu seinem Schüler sanft wie eine Frau. Soeben waren Schläge oder Berührungen von Stahl auf Stahl verklungen, denn Monsieur de Gourville zeigte Louis die Schritte vor und zurück.
»Monsieur«, sagte er mit seiner weichen Stimme, »man muß lernen, aus beiden Positionen Ausfälle zu machen.«
»Monsieur de Gouville«, sagte Louis stolz, »ich will abe vowäts ziehen und nicht ückwäts!«
Hierauf lachte der König zufrieden, doch er wurde sogleich ernst und sagte: »Mein Sohn, mit dem Degen ist es wie mit dem Krieg: man kann nicht immer nur vorangehen. Man muß wissen, wann man abbricht, nicht um zu fliehen, sondern um seinen Gegenschlag vorzubereiten.«
»Herr Vater, das will ich tun«, sagte Louis ernst.
Und er widmete sich seiner Lektion mit ganzer Aufmerksamkeit und schwitzte dicke Tropfen, sowohl vor emsiger Bewegung als auch, weil er sich vor seinem Vater übertreffen wollte. Außer seinem Erzieher, Monsieur de Souvré, waren noch Monsieur le Grand, Monsieur de Montespan, der Gardehauptmann, und Doktor Héroard zugegen. Und nicht die Spur von einem Weiberrock. Als der kleine Prinz in den Louvre zog, war er, wie der König gesagt hatte, »von den Händen der Frauen in Männerhände übergegangen«.
Die Fechtstunde war beendet, Louis stützte sich schweißüberströmt auf seinen Degen wie ein Waffenmeister und fragte: »Herr Vater, habe ich gut gefochten?«
»Ziemlich gut«, sagte Henri.
»Monsieur le Gand, fechtet Ihr?«
»Einigermaßen, Monsieur«, sagte Bellegarde, »aber Monsieur de Montespan ficht besser als ich. Und der Vater des Chevalier de Siorac noch besser als Montespan.«
»Warum, Monsieur?«
»Er ist der einzige im
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