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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Königreich, der den Jarnac-Hieb kennt.«
    »Den muß e mi beibingen!« sagte Louis feurig.
    »Warum, Monsieur?« fragte Héroard.
    »Dann töte ich die Feinde von Pa... Die Feinde des Königs, meines Vaters«, schloß er errötend.
    »Ich danke Euch, mein Herr Sohn«, sagte der König. Und er wäre wohl noch länger bei seinem Sohn geblieben, hätte nicht Monsieur de Montespan nach einem Blick auf seine Uhr leise gesagt: »Sire, es ist höchste Zeit. Sonst kommen wir zu spät.«
    Henri beugte sich zu Louis herab, und nachdem er ihn umarmt und mehrmals auf die Wangen geküßt hatte, folgte er Monsieur de Montespan, und Bellegarde und ich schlossen uns ihm an.
    »Allewetter!« sagte der König mißlaunig, als er die Musik hörte, »probieren diese Nymphen denn immer noch in der Großen Galerie?«
    »Ja, Sire«, sagte Montespan, »fürchtet Ihr, zu stören?«
    »Sie stören mich!« sagte Henri barsch. »Ich habe mit diesem Ballett nichts zu schaffen und mit den Balletteusen schon gar nicht.«
    Wie wünschte ich, die nun folgende kurze Szene nicht nur mit Worten zu schildern, sondern mit gewandtem Pinsel malen zu können, da sie im Leben des Königs und für die Zukunft des Reiches eine so große Bedeutung gewinnen sollte. Ich sage, zu malen, und wäre es nur, weil beide Protagonisten dabei stumm blieben. Einzig Bellegarde, in diesem stummen Drama ein schlichter Komparse, sprach, und er sprach wenig. Er sagte einen ganz banalen Satz, der in seinem Sinn wie in dem der anderen Zeugen, Montespan und mir, völlig unschuldig war.
    Und warum er ihm auf die Lippen kam, ist leicht zu verstehen. Bellegarde liebte den König, mit dem er täglichen Umgang hatte. Wie alle seine Vertrauten sorgte auch er sich wegen seiner schwarzen Launen, und da er sah, wie sein Herr sich plötzlich verfinsterte, als er von dem Nymphenballett sprach, kam ihm der Gedanke, ihn von den Widrigkeiten seines Lebens abzulenken, indem er seine Augen auf etwas höchst Liebenswertes lenkte – genauso, wie er dem kleinen Dauphin eine Trommel oder einen Degen schenken würde, um ihn über einen Kummer zu trösten. Armer, lieber Bellegarde, wie rasch, wie unüberlegt er war, und wie sehr seinem König zugetan! Die Zunge hätte er sich herausgerissen, hätte er vorausgesehen, zu welchem Unheil diese paar Wörter den Samen legten.
    Wie es seinem Amte entsprach, bahnte Montespan Seiner Majestät den Weg und betrat als erster die Große Galerie. Aber ohne den Abstand zu wahren, folgte ihm der König fast auf dem Fuße, so schnell und wütend ging er, daß er für den Augenblick seine Gicht vergaß; er hielt Kopf und Augen gesenkt, um ja von dem Ballett nichts zu sehen, das ihm von seinen beiden Frauen – der legitimen und der illegitimen – peinliche Szenen eingetragen hatte. Bellegarde und ich folgten ihm ziemlich betrübt, daß wir so schnell an einem so reizenden Schauspiel vorbeilaufen mußten, als ich sah, wie er plötzlich an des Königs linke Seite voreilte und mit seiner dummen, lieben Stimme sagte: »Seht doch, Sire, ist Mademoiselle de Montmorency nicht wunderbar?«
    Der König hob den Kopf, hielt inne, und dank einem jener Zufälle, die soviel Übel anrichten, befand er sich genau gegenüber der Schönen, die mit dem goldenen Speer in ihrer kleinen Hand den Körper rückwärts bog, dessen Vollkommenheiten die kurze Tunika so wenig verhüllte. Zum Stoß bereit, aber noch des Signales harrend, das die Musik ihr dazu geben sollte, erstarrte sie einer göttlichen Statue gleich, ihre Augen und ihr Lächeln aber, die ganz auf den König zielten, waren voll dieses bezwingenden, mitreißenden Lebens, das mich in jener Ballnacht bei Madame de Guise so sehr betört hatte. Henri stand wie festgenagelt vor diesem Blick und diesem Lächeln, als eröffneten sie ihm die süßen Fluchten und frischen Täler des Gartens Eden.
    Nach einer kurzen Pause strichen alle Violinen gemeinsamdie Saiten an. Die Nymphen stießen ihren Speer gerade vor sich hin, Charlotte aber zielte, ohne ihren Speer loszulassen, als treffe sie den König ins Herz. Die Spitze der Waffe, die aus Pappe war, damit die Nymphen sich nicht gegenseitig verletzten, berührte kaum das Wams Seiner Majestät, denn der Treffer war mit mutwilliger Grazie und blitzenden Augen, in denen Teufelchen tanzten, im selben Moment abgebremst worden. Ein neuer Violinenakkord erklang, die Jägerin kehrte uns den Rücken und entfernte sich tanzend von ihrer erlegten Beute.
    Zu meiner großen Verblüffung aber wankte der

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