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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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selbst: sie verhöhnt ihn und verweigert ihm jede Antwort. Er wirft sich dem König zu Füßen. Auch Henri hat ernstliche Zweifel an seinem Rang, da er die besagte Mutter bestens kennt; aber aus Mitleid und Güte hebt er ihn auf, erkennt ihn als Bourbonen an und als Ersten Prinzen von Geblüt. Er zahlt ihm eine Pension, doch dann verliert er jede Achtung vor ihm, als er erfährt, daß er schwul ist.«
    »Er ist nicht der einzige am Hofe!« sagte Noémie seufzend. »Was für ein Jammer, lauter schöne Männer und alle für uns arme Jungfern verloren!«
    »Warum aber die Verachtung?« sagte ich, im Gedanken an Fogacer, »es gibt viele bedeutende Männer unter ihnen.«
    »Weil der König reagiert wie die meisten Männer, mein Söhnchen: er ist ohne Nachsicht gegen Laster, die ihn nicht versuchen.«
    »Oh, Madame, das ist sehr galant gesagt!«
    »Noémie, kleine Schmeichlerin, schweigt!« sagte die Herzogin, schleckte das Kompliment aber wie Sahne, weil sie sich auf ihre Beredsamkeit etwas zugute hielt und das mit einigem Recht, wenn die Debatte die Mühe lohnte und sie aus ihrem drastischen und quasi volkstümlichen Vokabular schöpfte, das für gewöhnlich das ihre war.
    »Was ich mit alledem sagen will, Söhnchen, ist dies«, fuhr sie fort, »der Knoten bei der Affäre ist die Verachtung des Königs für Condé. Eine doppelte Verachtung: er ist keineswegs sicher, daß Condé seines Blutes ist, und obendrein ist der Prinz schwul.«
    »Aber, Madame«, sagte Noémie, »wie soll man sich über dieses Gefühl des Königs wundern? Die Kirche verdammt die warmen Brüder, und die Richter verbrennen sie.«
    »Papperlapapp, Kindchen! Verbrannt werden die Bürger und ein paar kleine Provinzadlige, die so dumm sind, sich erwischen zu lassen! Aber keiner tastet die großen Familien am Hofe an. Da wären zu viele Scheiterhaufen nötig! ... Also werden sie geduldet, aber der König verabscheut sie aus dem genannten Grund, und weil er meint, ein Edelmann müsse zuallererst daran denken, sein Blut fortzusetzen. Aber wie kann er das ohne Frau? Muß ich Euch daran erinnern, daß das Geschlecht der Valois mit dem dritten Heinrich ausgestorben ist?«
    »Madame«, sagte ich, »Ihr meint also, daß Condé den Vorschlag des Königs, ihn mit Mademoiselle de Montmorency zu vermählen, als eine Beleidung empfindet, weil er begreift, was sich dahinter verbirgt?«
    »Aber sicher ist es eine Beleidigung für ihn, und eine gewaltige! Im Grunde sagt doch der König damit zu ihm: Condé, Ihr werdet auf meinen Befehl Charlotte heiraten, aber sie nicht anrühren, weil Ihr keine Frauen liebt; ob Ihr Euer Geschlecht fortsetzt, schert mich wenig, denn Ihr seid nicht meines Blutes. Ich will Charlotte, und sobald die Ehe sie emanzipiert hat, habt Ihr mein Paravent zu sein. Das seid Ihr mir schuldig: ich habe Euch als Bourbone und Prinz anerkannt, obwohl Ihr weder das eine noch das andere seid.«
    »Entsetzlich!« sagte Noémie, »Welch eine Bosheit! Hat der König das wirklich zu ihm gesagt?«
    »Dummerchen, er hat es nicht gesagt! Aber anderen gegenüber hat er solche abscheulichen Reden geführt. Und wenn Condé noch lange vor dieser Ehe scheut, dürft Ihr sicher sein, daß er sein Päckchen zu tragen kriegt! Der König ist so rasend verliebt, daß er sich nicht mehr beherrschen kann; und so begreift er überhaupt nicht, daß Condé, wenn er sich unter diesen Umständen verheiraten läßt, urbi et orbi eingesteht, daß er weder Prinz noch Bourbone ist, sondern ein kleiner Kuppler im Dienst des Königs.«
    Nach dieser Rede verstummte Madame de Guise und schloß die Augen. Sie hatte das alles in ihrer kruden Manier gesagt, doch nicht ohne Mitgefühl mit dem Prinzen, für den nichts sprach, weder seine Herkunft noch sein Äußeres noch sein Charakter, da er scharf, bitter, fahrig und um so weniger liebenswert war, als er sich ungeliebt fühlte. Als ich hierüber nachdachte, fand ich, daß meine liebe Patin die Worte meinesVaters, ohne sie zu kennen, glücklich korrigiert hatte, da er in dieser Sache einzig den König beklagte, der von »dieser kleinen Pest« geködert worden sei. Aber zu beklagen war auch Condé. Denn wie immer er sich entschied, ob er Charlotte heiratete oder nicht: er konnte nur unglücklich werden, da er keine andere Wahl hatte als Unehre oder Verfolgung.
    ***
    »Monsieur, um es rundheraus zu sagen: ich bin mit Ihnen sehr unzufrieden.«
    »Mit mir, schöne Leserin? Und was habe ich Ihnen getan?«
    »Sie spannen mich auf die Folter:

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