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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Königreiches. Und trotzdem, was habe ich ihm für ein hübsches Geweih aufgesetzt!«
    »Oh, Madame«, sagte Noémie, »und das vor Eurem Patensohn! Und vor mir, die ich noch Jungfrau bin!«
    »Papperlapapp, Kindchen, tut nicht scheinheilig! Eure Jungfernschaft habt Ihr nicht im Ohr!«
    »Ist das wahr, Madame?« sagte Noémie, »habt Ihr Euren Mann wirklich betrogen?«
    »Alle Welt behauptet es«, sagte die Herzogin mit einem kleinen Lachen. »Dann muß es wohl wahr sein.«
    »Und wie hat der Herzog es aufgenommen?«
    »Wie ein vollendeter Edelmann. Eines Tages hielt ihn eines von diesen Klatschmäulern an, von denen es am Hofe wimmelt, und sagte: ›Monseigneur, einen Rat bitte: Ich habe einen Freund, dessen Frau untreu ist. Ich würde es ihm brennend gern beweisen, aber ich weiß nicht, wie er es aufnimmt. Monseigneur, was würdet Ihr an seiner Stelle tun?‹ – ›Was ich tun würde?‹ sagte der Herzog, der wohl verstanden hatte, ›ganz einfach: ich würde Euch erstechen.‹«
    »Wunderbar!« sagte Noémie. »Das ist galant, ganz Kavalier! Ach, wie gern hätte ich einen Mann von dem Kaliber.«
    »Täuscht Euch nicht, Kindchen!« sagte die Herzogin, die Nase hoch. »Man muß eine Prinzessin von Geblüt sein, damit ein Ehemann einen so schont. Der Eure würde Euch bereits auf den Verdacht des kleinsten Horns hin erwürgen.«
    »Madame«, sagte ich, »ich wette, daß der Herzog Euch trotzdem geliebt hat.«
    »Sicher hat er mich geliebt und ich ihn. Aber was wollt Ihr, er war nie da! Trotzdem hat er mir jedes Jahr ein Kind gemacht. Kaum war ich wieder dünn, da schwoll mir der Bauchschon wieder! Ja, vierzehn Kinder habe ich ihm geboren, und alle von ihm! Da hab ich aufgepaßt.«
    »Alle, Madame?« fragte Noémie, indem sie mir einen sprechenden Blick zuwarf.
    »Kindchen«, sagte die Herzogin, »Ihr kennt die Geschichte dieses Königreiches nicht und bringt die Daten durcheinander. Der Herzog ist 1588 zu Blois ermordet worden, also sechs Jahre vor dem Ereignis, auf das Ihr anspielt.«
    Hierauf beugte sich die Herzogin zu mir, lächelte und legte ihre kleine Hand flach auf meine rechte Wange, dann zog sie meinen Kopf an sich und küßte mich auf die andere Wange. In meiner derzeitigen Schwermut tat mir dieser Liebesbeweis sehr wohl. Ich wurde rot vor Glück, und da sie meine Bewegung bemerkte, setzte sie halblaut hinzu, als spräche sie für sich: »Ihr seid der Edelstein in meiner Krone.«
    Auf einmal schloß sie die Augen, und da Noémie glaubte, sie werde nun einschlummern, hielt sie den Atem an. Sie glaubte, bald sei der Moment gekommen, die Lichter auszupusten, das Zimmer auf Zehenspitzen zu verlassen und mich in meine kleine Kemenate zu geleiten.
    Diese Hoffnung wurde getäuscht, denn nach einem Weilchen schlug Madame de Guise die Augen auf, und putzmunter ließ sie von ihren Lippen eine jener kostbaren Weisheiten fallen, die sie aus den Gründen ihrer Erfahrung geangelt hatte.
    »Im Grunde fürchten sich alle Männer, daß sie von ihren Frauen gehörnt werden – sogar die schwulen!«
    »Madame«, sagte ich (zu Noémies großem Mißfallen, die nicht wollte, daß ich das Gespräch wieder belebte), »spielt Ihr auf den Prinzen von Condé an? Mein Vater sagt, er sträube sich gewaltig, die Tochter des Konnetabels zu heiraten.«
    »Sträuben ist nicht das richtige Wort«, sagte Madame de Guise. »Er weigert sich. Er will auf keinen Fall die Rolle des Scheinehemanns spielen, die ihm der König überhelfen will.«
    »Aber was schert es ihn?« sagte Noémie. »Da er doch keine Frauen liebt?«
    »Es schert ihn, im Gegenteil, sogar sehr viel!« sagte Madame de Guise. »Kindchen, Ihr räsonniert wie der König, weil Ihr nichts von warmen Brüdern und nichts von Condé versteht. Er war von jeher ein gedemütigter Prinz. Und war es von Geburt an. Der Ärmste – aber wie sollt Ihr das wissen, Ihr wart janoch nicht auf der Welt – der Ärmste wurde im Kerker geboren, seine Mutter saß ein, weil sie ihren Mann vergiftet haben sollte, der sie mit einem Pagen erwischt hatte. Hugenottische Richter verurteilten sie zum Tode. Sie bekehrte sich, und die katholischen Richter erklärten sie für unschuldig. Sie kam frei. Gut und schön! Aber der Prinz? War er der Sohn von Condé oder der Sohn dieses Scheißpagen? In dem Zweifel kehrten ihm sämtliche Bourbonen den Rücken, ich eingeschlossen, und es war nicht das Beste, was ich getan habe. Der arme kleine Prinz fragt seine Mutter. Die schreckliche Frau ist die schwarze Bosheit

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