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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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übergeben. Sie wird sich im rechten Schiff nahe dem Beichtstuhl aufhalten, der dem Eingangsportal am nächsten steht.«
    »Wie erkenne ich sie?«
    »Sie hat Augen von verschiedener Farbe wie La Surie.«
    »Werde ich das sehen können, Sire? In einer Kirche ist es dunkel, vor allem nach der Vesper.«
    »Du wirst sie finden. Sie wird neben einem Ständer mit Wachslichten knien. Gefahr läufst du nur, wenn du sie ansprichst. Es kann sein, daß sie von Leuten überwacht wird, die dich niederschlagen könnten, um sich des Briefes zu bemächtigen.«
    »Ich werde mich hüten, Sire.«
    »Wenn du ihn übergeben hast, mußt du dem Mädchen etwas in die Hand drücken. Gute zehn Ecus, das reicht.«
    Welche ich wohlverstanden aus meiner Börse zu nehmen hatte, da Henri keine Anstalten machte, sie mir zu geben.
    »Wenn dir Zeit bleiben sollte, erkundige dich nach dem Ergehen ihrer Herrin, frage, wie sie sich befindet, was sie hofft und vor allem, ob ihr Kerkermeister Anstalten macht, nachzugeben und sie nach Fontainebleau zu bringen.«
    Ich steckte den Brief zwischen Hemd und Wams, erhob mich und wartete, daß der König mich beurlaubte. Was er fürgewöhnlich tat, ohne lange zu fackeln, da er ein so lebhafter Mensch war, bei dem alles im Handumdrehen ging. Doch entgegen seinem Brauch verweilte er, wandte sich hin und her in dem Raum, schien bald in seine Gedanken verloren, bald warf er mir Seitenblicke zu, als schwanke er, ob er mir mehr sagen solle.
    »Siorac«, sagte er schließlich, denn er konnte sich nicht enthalten, von seiner Geliebten zu sprechen, und wäre es zu einem Grünschnabel wie mir, »kennst du die Prinzessin?«
    »Ja, Sire, ich habe sie zweimal an Eurem Bett im Louvre gesehen, und vorher habe ich auf dem Ball bei Madame de Guise mit ihr die Volte getanzt.«
    »Was deucht dich von ihr?«
    »Nach der allgemeinen Ansicht, Sire, gibt es nichts Schöneres als die Prinzessin.«
    »Und wie tanzt sie?«
    Die Frage hätte er sich selbst beantworten können, da er sie nicht aus den Augen gelassen hatte, als sie in dem Nymphenballett vor der Königin erschien. Aber ich begriff, daß er von mir nur ein Echo seiner eigenen Gedanken hören wollte, um sich die Prinzessin zu vergegenwärtigen.
    »Göttlich, Sire. Mit äußerster Leichtigkeit. Eine Sylphe könnte es nicht besser.«
    »Ah, Siorac!« sagte er, »dieser Mann ist ein Monster! Kaum hatte er diesen schönen Engel geheiratet, kam er nicht, wie ich ihm befohlen hatte, mit ihr an den Hof zu Fontainebleau, sondern sperrte sie in seinem Pariser Palais ein, verbot ihr jeglichen Umgang, sogar mit dem Konnetabel und ihrer Tante Angoulême! Malherbe hat recht: Fontainebleau ist eine Wüste, weil sie nicht da ist! Welch ein unglückliches Leben führe ich fern von ihr! Ich habe Appetit und Schlaf verloren, bin nur noch Haut und Knochen und in meinem Innersten so gestört, daß ich an nichts mehr Vergnügen finde.«
    Nach diesem Ausbruch stand er einen Moment stumm, den Kopf gesenkt, und starrte zu Boden, ein Bild der Untröstlichkeit. Und abgemagert war er tatsächlich, daß sein Wams um ihn zu schlottern schien. Plötzlich straffte er sich, wie beschämt, daß er sich hatte gehenlassen, nickte mir zu und verließ mich so schnell, daß ich zwar niederknien, aber ihm nicht mehr die Hand küssen konnte.
    Während ich aufstand, sagte ich mir, daß er dieselbe Sprache der liebenden Verzweiflung geführt hatte wie Bassompierre, nur mit dem Unterschied, daß sie bei ihm echt und von jenem Hagelschauer von Besessenheit begleitet war, welche die »Grenzen der Schicklichkeit« überschritt, die unser schöner Höfling seinerseits nie überschreiten würde.
    Ich schreibe dies in meinen reifen Jahren, und wiewohl ich mich überzeugt habe, daß im Liebesgefühl von der Essenz her etwas Unvernünftiges steckt, da es das Bild des geliebten Wesens so maßlos vergrößert, bis es schließlich den ganzen Lebenshorizont ausfüllt, liegt doch in den Qualen selbst, die dieses Gefühl mit sich bringt, etwas sehr Köstliches, denn es läßt uns jeden Moment des Daseins mit einer Intensität erleben, die wir vor dem Erscheinen der Liebe nicht kannten.
    Leider nur fegt diese Intensität alles hinweg, und zuallererst den klaren Blick. Die ganze Welt erkannte Henri in der Führung der öffentlichen Angelegenheiten einen so raschen und so durchdringenden Scharfsinn für die Hintergedanken seiner Gegner zu, daß er ihre besterdachten Fallen witterte und mühelos umging. Und doch nahm dieses politische

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