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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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tragen keine Masken. Und sie sehen mir so jung aus, daß doch eine Gouvernante über sie wachen müßte.«
    Ich sah in La Suries Augen, besonders aber an dem Blitzen in seinem braunen Auge, daß die Beobachtung ihn erheiterte. Doch als er sprach, war sein braunes Auge wieder genauso ernst wie sein blaues.
    »Da sie von der Kutsche direkt auf das Schiff gekommen sind, mußten sie durch keine Gassen und fanden die Masken deshalb wohl entbehrlich. Und daß sie keine Gouvernante bei sich haben, nun, wir sind ja nicht dermaßen spanisch, daß wir der Jugend überall eine Dueña auf den Hals schicken. Außerdem sind der Jungfern fünf, sie können sich gegenseitig beschützen.«
    »Trotzdem, Monsieur, benehmen sie sich nicht ein bißchen sehr frei gegen Monsieur de Bassompierre?«
    »Sie werden gut vertraut mit ihm sein. Vielleicht sind es seine Nichten?«
    Ob Nichten oder nicht, sie kamen und setzten sich zu uns unters Zelt, und Monsieur de Bassompierre nannte uns der Reihe nach leichthin ihre Vornamen und kündigte uns zugleich einen Imbiß an, was die Demoiselles mit kleinen Freudenschreien begrüßten.
    Da nun die Galiote in Bewegung kam, während ein Tisch gebracht und Speisen aufgetragen wurden, beobachtete ich das Ablegemanöver. Nachdem unsere Schiffer die beiden Anker, den einen am Bug, den anderen am Heck, eingeholt hatten, stießen sie uns mit langen Stangen vom Quai ab, und sogleich reckten sich aus unseren Speigatts die Ruderkellen und begannen das Wasser zu schaufeln, doch ohne große Anstrengung, wie mir schien. Der Steuermann hatte die Ruderstange nach links geworfen, und so gelangten wir in die Mitte des Flusses, darauf wendete er sie nach rechts. Ich sah, daß diese Stange überaus dick, sehr lang und am Ende gekrümmt war, und ich sah auch, daß der Steuermann, so groß und stark er war, für das Manöver beide Hände benötigte. Hiernach legte er die Ruderstange gegen seine Hüfte und blieb so unbeweglich stehen, daß er vor der blassen Scheibe der aufgehenden Sonne und dem Ufernebel wie eine Statue ragte. Das Schiffsheck lag erhöht, so daß er über unser Zelt hinweg seine Bahn überschauen konnte, und ich bemerkte, daß ein anderer Schiffer, der längelang im Bug lag, ihm mit seiner rechten Hand dann und wann Zeichen machte; wahrscheinlich warnte er derweise vor Gefahren oder Hindernissen, die der Steuermann von seinem Standort nicht erblicken konnte.
    Wie angenehm der Ruderschlag auch in den Ohren klang, mir kam er dennoch ziemlich langsam vor, als handelte es sich eher darum, die schnelle Strömung zu begleiten als zu beschleunigen, und ich ließ meinen Blick hinter dem Steuermann über das schöne Paris schweifen, denn es verwunderte mich, wie weit wir uns davon schon entfernt hatten. Die Türme des Louvre erschienen jetzt zugleich zahlreicher und bedeutender, dahinter ragten aus dem allmählich sich auflösenden Nebel die Glockentürme der über hundert Kirchen der Hauptstadt, sodann die Türmchen und Zinnen des Quartier de l’Autruche, welche, fern des stinkenden Schlamms derGassen, aus denen sie sich erhoben, so blitzblank, so edel und fröhlich aussahen in der Sonne, die sie vergoldete.
    Das Schiff hatte linker Hand den Turm de Nesle und zu unserer Rechten den hölzernen Turm des Louvre zurückgelassen, da konnte man auch schon die Befestigungswerke sehen, die Paris mit Türmen und riesigen, streng bewachten Toren umschlossen. Ich betrachtete offenen Mundes jene gewaltigen Mauern, als mein Vater, den ich nicht hatte kommen hören, mir die Hand auf die Schulter legte.
    »Traut nicht dem Anschein«, sagte er, »von nahem gesehen ist das alles baufällig. Und selbst wenn es nicht so wäre, hätten diese Befestigungen nicht mehr viel Wert. Schon mein Vater sagte: ›Keine Mauern sind so gut wie gute Männer.‹ Heutzutage wird Paris von einem großen Krieger beschützt: dem König, und von einem starken Heer: dem seinigen. Mein Sohn, kommt essen, Euer Teller langweilt sich allein.«
    Unter dem Zelt war der Tisch reich gedeckt mit allerlei Speisen, Früchten und Wein. Während wir Platz nahmen, zeigte Monsieur de Bassompierre seinen Nichten in der Ferne das Tor von Buci.
    »Wißt ihr noch, meine Schwälbchen«, sagte er, »wie wir letzte Fasten dort aus Paris hinausgefahren sind, als wir den Jahrmarkt von Saint-Germain besuchten?«
    »Oh, weh!« sagte die eine, »diese Vororte von Saint-Germain, durch die wir zum Jahrmarkt mußten – sah es da gruselig aus! Nichts wie Bruchhütten, picklige

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