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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Bassompierre, »er wird von allen geliebt, nur nicht von der einzigen, von der er um alles in der Welt geliebt werden möchte.«

DRITTES KAPITEL
    Am Sonntag nach unserer Schiffsreise auf der Seine gingen wir zur Predigt des Jesuitenpaters Cotton, der auch der Beichtvater Seiner Majestät war, in die Kirche Saint-Germainl’Auxerrois, weil der König mit Madame 1 und seinem Minister Sully hinkam, die beide hartnäckige Hugenotten waren und zur katholischen Religion bekehrt werden sollten. Dazu legte Pater Cotton das Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus und besonders den Abschnitt, in dem gesagt wird, daß jener den halbtot geschlagenen und ausgeraubten Reisenden in eine Herberge führte, dem Wirt zwei Groschen gab und sprach: »Pflege sein, und so du was mehr wirst dartun, will ich dir’s bezahlen, wenn ich wiederkomme.«
    Dieses »so du was mehr wirst dartun«, argumentierte Pater Cotton, rechtfertige den Ablaßhandel, durch welchen der Papst Reichtümer ansammle; dank dieser nämlich könne er wohltätige Werke stiften, die er anders nicht ermöglichen könnte.
    Die Predigt fand um elf Uhr statt. Wegen der Anwesenheit des Königs und weil überall für die Bekehrung von Madame und von Sully gebetet wurde, war eine große Menge erschienen. Beim Verlassen der Kirche sah mein Vater Ehrwürden Abbé Fogacer, den Leibarzt des Kardinals Du Perron, im Gespräch mit dem König stehen, und trotz des dichten Gedränges erreichte er ihn gerade, als Seine Majestät von ihm ging, und lud ihn kurzerhand auf Mittag in unser Haus.
    Fogacer nahm mit der größten Freude an und beglückte uns, meinen Vater, den Chevalier und mich – mich ganz besonders –, mit den wärmsten Umarmungen. Hierauf fragte er meinen Vater, ob an seiner Tafel auch sein junger Akoluth willkommen sei, den er sich von Venedig mitgebracht habe. Mein Vater willigte ein, nicht ohne ein kleines Lächeln.
    Ausgestattet mit langen Beinen, welche die Soutane noch länger machte, mit endlosen Armen und einem Rumpf von äußerster Magerkeit, erkannte man Fogacer von weitem an seiner spinnenhaften Silhouette und von nahem an seinen schwarzen, wie mit dem Pinsel gezeichneten und zu den Schläfen aufstrebenden Brauen, die ihm einige Ähnlichkeit mit dem Bildnis gaben, das wir uns von Satan machen. Ein Bildnis, sagte mein Vater, das seinen bisweilen ketzerischen Reden nicht widerspreche, das aber durch die Güte seiner nußbraunen Augen widerlegt würde. Wir hatten ihn seit einem Jahr nicht gesehen, weil er dem Kardinal Du Perron nach Italien gefolgt war, der im Auftrag des Königs mit dem Heiligen Vater derzeit in höchst dornenreichen Verhandlungen über Venedig stand.
    Unsere Karosse machte einen Umweg über Fogacers Wohnung, um seinen jungen Meßdiener abzuholen. Es war ein pausbäckiger, sehr dunkler, sehr gelockter Bursche, der seinen Teil des Mahls mit Leichtigkeit verschlang, da sein Mund an unserer Tafel weit mehr Vergnügen fand als seine Ohren, denn er konnte überhaupt kein Französisch und Italienisch auch nicht viel besser, weil er einen venezianischen Dialekt sprach.
    »Nun erzählt, Fogacer!« sagte mein Vater, nachdem er kaum den ersten Bissen hinuntergeschluckt hatte, »wie steht es mit diesem höchst leidigen Streit zwischen Venedig und dem Papst?«
    »Das ganze Übel«, sagte Fogacer, seine diabolischen Brauen hebend, »rührt daher, daß die Kardinäle vor zwei Jahren die sonderbare Idee hatten, einen tugendsamen Papst zu wählen.«
    »Ist das nicht an sich eine gute Sache?« fragte der Chevalier mit Unschuldsmiene.
    »Ganz und gar nicht. Was die Christenheit braucht, ist ein Papst, dessen Tugend mittelmäßig, dessen Erfahrung jedoch groß ist. Statt dessen haben wir in Paul V. einen Papst mit großer Tugend und geringer Erfahrung. Aus dem Grunde hält er so starr an den Traditionen und Privilegien der katholischen Kirche fest und schleuderte plötzlich Feuer und Flammen, als Venedig zwei verbrecherische Priester verhaftete und einkerkerte.«
    »Was hätte Venedig denn tun sollen?« fragte ich.
    »Es hätte sie, gemäß besagten Privilegien und Traditionen, dem Papst überstellen müssen, damit sie von einem geistlichen Tribunal in Rom verurteilt würden. Aber der Doge bestand auf der Gerichtsbarkeit der Serenissima über ihre eigenen Bürger und weigerte sich. Also sprach Paul V. in seinem Zorn das Interdikt gegen Venedig. Und, mein Kleiner«, sagte er, indem er sich mir zuwandte (aber die Anrede hatte in seinem Mund nicht denselben Klang wie

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