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Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman

Titel: Der wilde Tanz der Seidenröcke: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ich an meinem Atheismus heute ernsthaft zu zweifeln beginne. Nicht daß ich mehr glaube, vielmehr bin ich weniger ungläubig geworden.«
    »Wenn ich etwas sagen dürfte«, warf ich ein.
    »Sprich nur, sprich, mein Kleiner!« rief Fogacer aus. »Du, ein Eliakim an Weisheit und ein David an Gerechtigkeit!«
    Diese Ermutigung hätte mein Rad gebremst, wäre ein Blick meines Vaters mir nicht beigesprungen.
    »Was mich angeht«, sagte ich, »möchte ich, anstatt für meine Sünden ewig in der Hölle zu schmachten, wirklich lieber eine zeitweilige Strafe verbüßen, die mir übrigens auch mehr der göttlichen Barmherzigkeit zu entsprechen scheint.«
    »Ausgezeichnet! Ganz ausgezeichnet!« schrie Fogacer. »Mein Schöner, in dir begrüße ich Ganymed, welcher den Olympiern die Ambrosia des gesunden Menschenverstandes einschenkt.«
    »Die göttliche Barmherzigkeit gibt es gewiß«, sagte mein Vater ernst, »aber in einer Weise, über die uns kein vorwitziges Urteil zusteht. Nichts in der Heiligen Schrift weist darauf hin, daß es ein Fegefeuer gibt.«
    »Darüber ließe sich streiten«, sagte Fogacer.
    Doch tat er es nicht, und ein längeres Schweigen trat ein, da weder der Chevalier noch Fogacer, noch mein Vater Lust hatten, sich weiter in ein theologisches Problem zu vertiefen.
    »Alsdann!« sagte Fogacer, »da Ihr meinen Bericht aus Romnun vernommen habt: was ist inzwischen in der schönen Stadt Paris passiert?«
    »Der König«, sagte der Chevalier, »hat im Februar den Bau des Pont-Neuf beendigt. Und er war damit hoch zufrieden. Immer wieder hat er seine neue Brücke zum reinen Vergnügen überquert, bald in der Karosse, bald zu Pferde, bald zu Fuß. Und jedesmal war er ganz entzückt. Als er dann aber feststellte, daß es bis zum Stadttor, der Porte de Buci, ein langer Umweg über die Rue Pavée und die Rue Saint-André-des-Arts ist, beschloß er, alle Häuser zwischen dem Pont-Neuf und der Porte de Buci zu kaufen, niederzureißen und an ihrer Statt eine neue Straße zu bauen, die von der Brücke geradewegs zum Stadttor verläuft. ›Das‹, sagte er, ›wäre für die Stadt Paris eine große Zier und für ihre Bewohner sehr bequem.‹«
    »Aber diese Häuser«, sagte Fogacer, »gehören doch den Augustinerbrüdern: abgesehen vom Hôtel de Nevers, ist von den Seinequais bis zur Rue Saint-André-des-Arts alles in ihrem Besitz.«
    »Ihr dürft sicher sein«, sagte der Chevalier, »daß die Augustiner dafür auch einen saftigen Preis verlangt haben, aber der König hat ihn, ohne zu feilschen, bezahlt. Was die guten Patres, nachdem sie die dreißigtausend Livres Kaufpreis einkassiert hatten, nicht hinderte, die Füße Seiner Majestät mit ihren Tränen zu netzen. ›Sire‹, barmten sie, ›nun, da wir Eurem Willen gefrommt haben, sind wir unsere schönen Gärten los.‹ – ›Meine guten Patres‹, sagte der König, ›der Gelderlös aus diesen Häusern ist ja wohl ein paar Kohlköpfe wert!‹«
    Hier nun erregte sich Fogacer sehr, denn er teilte alle Vorurteile der weltlichen Geistlichkeit gegen die Mönche.
    »Und wie«, fragte er, »will der König die Straße nennen, die vom Pont-Neuf zur Porte de Buci führen soll?«
    »Rue Dauphine«, sagte La Surie.
    »Ah, wie rührend!« sagte Fogacer. »Aber kein Wunder. Schließlich ist es allbekannt, wie vernarrt Henri in den Dauphin Louis ist.«
    »Obwohl er ihn manchmal sehr rauh behandelt«, sagte mein Vater. »Da er in der Kindheit selbst viel gezüchtigt wurde, glaubt er, die Rute bringe Segen. Dabei übersieht er nur, daß die Züchtigung bei ihm, anders als bei dem kleinen Louis, wettgemacht wurde durch die Liebe einer Mutter.«
    Nach dieser Bemerkung, die mich betroffen machte, schweifte meine Aufmerksamkeit ab. Und da ich auf einmal feststellte, daß die Mahlzeit meine Siesta beschnitt, wünschte ich, offengestanden, sehr, Fogacer möge gehen, obschon ich ihn nicht ungern sah und ihn ohne alle die Namen, die er mir gab, wirklich gerngehabt hätte. Eliakim und David, schön und gut, da der erste für seine Reinheit berühmt war und der zweite für seine Tapferkeit. Aber dachte er, ich wüßte nicht, zu welchem perversen Zweck Jupiter den Ganymed entführt hatte?
    Als hätte er meine Gedanken erraten, erhob sich Fogacer, nahm höflichen Abschied und stelzte auf seinen langen Beinen davon, gefolgt von diesem feisten, dickärschigen, krauslockigen Meßdiener, der in seinem Schlepptau unsäglich klein aussah.
    Kaum hatte sich unsere Haustür hinter ihnen geschlossen,

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