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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Charly, und der schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte er. »Wir stufen sie nur ein bisschen zurück.«
    Nachdenkliches Schweigen senkte sich wieder über die Küche. Pit Bull sog blubbernd an seinem Bong. Scuzzi nuckelte am Hals seiner Calvadosflasche. Schisser kaute mit einiger Entschlossenheit Gummi. Hoho mampfte Kartoffelchips, Poppel und D.O. hielten sich an Büchsenbier, Charly blickte mit gerunzelten Brauen auf seinen Notizblock. Ratlosigkeit in allen Mienen.
    »Also«, fuhr ich fort, »da Willy immer noch nicht wieder aufgetaucht ist, müssen wir jetzt also endgültig davon ausgehen, dass Entführung und Lösegeldforderung ernst gemeint sind. Das heißt, wir müssen auch akzeptieren, dass Willy in Gefahr ist. Um ihn heil zurückzubekommen, können wir entweder rauskriegen, wer ihn hat und wo, und dann befreien, oder aber auf die Forderung eingehen und ihn freikaufen.« Schnauben ringsum. Kopfschütteln.
    »Bis wir wissen, wo Willy festgehalten wird, müssen wir auf alle Fälle so tun, als wollten wir darauf eingehen. Und für den Fall, dass wir nie dahinterkommen, müssen wir uns gleichzeitig bemühen, das Lösegeld irgendwie zusammenzukratzen.« Schnauben ringsum, Kopfschütteln, tippende und kreisende Gesten im Stirnbereich. Keiner von uns hatte, was man ein regelmäßiges Einkommen< nennen könnte. Bis auf Scuzzi vielleicht, dessen Umsatzzahlen recht stabil waren. Nicht zuletzt deshalb, allerdings, weil ein Teil seiner Abnehmer im gleichen Haus mit ihm wohnte. Und auf Pump kaufte. >Doch Umsatz ist Umsatz<, tröstete er sich. Fuckers' Place war ein >von der Hand in den Mund<-Haushalt. Mund/Nase/Lunge/Blutbahn, sollte ich vielleicht sagen. Kurz, was immer es bei uns zusammenzukratzen gab, es würde nicht mal für eine Anzahlung auf unsern Willy reichen.
    »Ja«, sagte ich, »ich weiß, was ihr sagen wollt. Doch ich habe mir schon meine Gedanken gemacht. Wir werden Willys Vermögensverwalter ins Vertrauen ziehen müssen. Einer von uns sollte gleich morgen früh zu ihm gehen und mit ihm sprechen. Wer, entscheiden wir später. Denn es gibt noch mehr zu tun. Charly hat, glaube ich, schon Verschiedenes vorbereitet.«
    Charly sah von seinem Block auf und nickte gewichtig.
    »Heute Morgen«, begann er, »stand die Frage im Raum, mit wem wir im letzten halben Jahr so alles Schwierigkeiten gehabt haben. Ich hab mal eine Liste erstellt. Eine Hitliste. Eigentlich zwei. Links stehen Einzelpersonen, rechts Gruppierungen. Wem von all diesen Arschlöchern wäre eine Entführung am ehesten zuzutrauen?«
    Er hatte die Liste nach subjektiven Gesichtspunkten geordnet, doch seine absolute Nummer eins wurde ohne Diskussion von allen akzeptiert. Schließlich standen diese Leute nicht nur in dem Ruf, sie hatten uns schon bewiesen, dass ihnen alles zuzutrauen war. Erpressung im weitesten Sinne sowieso. Das Problem war nur, verglichen mit diesen Leuten waren die Stormfuckers das, als was sie sich sonst immer gerne bezeichneten: nur eine Hand voll ganz, ganz lieber Jungs.
    Ein, wenn man so will, blöder Zufall hatte dazu geführt, dass wir überhaupt mit denen aneinander geraten sind.
    Luigi war unser Stammitaliener. Nahe genug am Fuckers' Place, um bequem zu Fuß hinzukommen, und immer noch nahe genug, um einigermaßen bequem auf allen Vieren wieder zurückzukommen, sollte der Chianti wieder mal so lecker gewesen sein. Oder der Frascati. Der Asti Spumante. Wenn nicht der Grappa.
    An diesem Abend waren wir fast alle da gewesen, zu einer Feierabendpizza nach einem gemeinsamen Job. Die Stimmung war gut, wenn auch instabil, kippelig, weil ein paar von uns noch mit den Nachwirkungen der >Roten< zu ringen hatten, was durch die Einnahme größerer Mengen der oben erwähnten Getränke weiter verschleppt wurde. Wir hatten eine ganze Wohnwagensiedlung britischer Wanderarbeiter auseinander genommen, die idiotisch hohe Fußballwetten auf Pump abgeschlossen hatten und nun, nachdem England mächtig eins auf die Mütze gekriegt hatte, doch tatsächlich dachten, einfach die Achseln zucken und Schulden Schulden sein lassen zu können. Zehn Prozent von allem, was wir aus ihnen herausgeholt hatten, war unser, und so war Geld genug da für Pizzen und Nudeln und Salate und auch für eine ganze Menge der oben erwähnten Getränke, und ich stand gerade auf einem Stuhl und gestikulierte der Kellnerin mit einer Literkaraffe, als die Eingangstüre unter Krachen und Splittern in den Raum gefallen kam. Wir waren alle noch aufgekratzt - Knüppel und Steine und

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