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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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um etwas Schwieriges wie z.B. das Einradfahren zu erlernen, nur um in dem Augenblick, wo es das Gerät wirklich beherrscht - vorwärts, rückwärts, seitwärts, Treppe rauf, Treppe runter - abzusteigen, das Ding in die Garage zu stellen und nie wieder einen Blick draufzuwerfen.
    Jetzt sind lebende, fühlende Personen keine Einräder. Und lassen sich nur ungern so behandeln. Ich meine, vorwärts, rückwärts, seitwärts, Treppe rauf, Treppe runter machten die meisten ja noch relativ klaglos mit. (Selbst wenn sich gerade bei den letzteren Übungen schon mal etwas Publikum auf den Absätzen einfand.) Es war der >Nie-wieder-einen-Blick<-Part, an dem sie sich stießen. Allen voran Wanda.
    »Ich war wund«, verteidigte sich Willy später, »mein Schwanz war nur noch rohes Fleisch, und meine Eier waren auf Erbsenformat zusammengeschrumpft. Ich hätte nicht mal mehr gekonnt, wenn man mir Sylvia Kristel mit Nutella eingeschmiert nackt auf den Bauch gebunden hätte.«
    Ein bildlicher Vergleich, der damals alle ringsum in ein kurzes, nachdenkliches Schweigen hatte fallen lassen. Alle, muss ich dazusagen, die noch übrig waren, nachdem wir die Dicke Wanda endlich vor die Tür und die Verletzten ins Krankenhaus befördert hatten.
    »Entweder er hat sich gewehrt, oder diese Schweine haben ihn absichtlich so zugerichtet, um uns Feuer unterm Arsch zu machen.«
    Wie auch immer, er sah wild aus. Wild genug, um wahrscheinlich allen am Tisch einen Stich zu versetzen. Körperliche Blessuren auszuteilen und einzustecken war den meisten Stormfuckers täglich Brot, doch Willy hatte einen Sonderstatus. Schwer zu sagen, wieso, doch wenn es um Willy ging, legten wir alle eine gewisse Gluckenhaftigkeit an den Tag.
    Ich kann mich nicht erinnern, wie oft er unter den unmöglichsten Umständen (Elefantentreffen, das größte Winter-Motorradtreffen der Welt, 15° minus, die einzige Frau weit und breit eine tätowierte Biker-Mamma der allerersten Stunde, mehr schon eine Biker-Grandma, unterwegs mit einem holländischen Chapter der Angels, ausgerechnet, und Willy wankt in einem unbeobachteten Moment rüber, als sie sich gerade zum Pissen in die Büsche schlägt, und versucht, sie in sein Zelt zu locken) mit den unmöglichsten Typen aneinander geraten ist, und immer haben sich ein oder mehrere Fucker gefunden, um ihn wieder rauszuhauen. Es war wie ein Instinkt.
    Jetzt nicht zu wissen, wen zu hauen, um Willy vor weiteren Schwierigkeiten zu bewahren, machte die großen Jungs seltsam hilflos.
    Das Telefon in der Halle schrillte in das brütende Schweigen hinein, und alles zuckte zusammen. Ich ging dran.
    »Und, werdet ihr zahlen?« Wer immer am anderen Ende war, gab sich Mühe, ein heiseres Flüstern und mithilfe harter >Rs< einen Akzent zu produzieren.
    »Ja«, sagte ich, »klar. Kein Problem. Wann und wo sollen wir die Übergabe stattfinden lassen?«
    »Ihr habt das Geld?« Ein Japsen. Heiserkeit, Flüstern und Akzent wie weggeblasen. Dies waren keine Profis. Und das waren schlechte Nachrichten.
    »Blödsinn«, antwortete ich. »Woher? Wir müssen es erst auftreiben. Und dafür brauchen wir Zeit.«
    Ganz, ganz schlechte Nachrichten. Amateure sind völlig unberechenbar.
    »Wie viel Zeit?« Heiser, flüsternd.
    »Einen Monat, ungefähr.«
    Nervenschwache Typen, die meisten von ihnen.
    »EinenMonat?« Bisschen schrill.
    Einer von ihnen verliert kurz seine Maske, und sie bringen das Opfer um. Der Pizzabote vertut sich in der Hausnummer, klingelt im falschen Moment an der falschen Türe, und sie bringen sich, das Opfer und den Pizzaboten um. Eine Polizeistreife fährt verdächtig langsam die Straße hinunter, und alles gerät in Panik, flieht Hals über Kopf nach Spanien und lässt das Opfer verhungern, verdursten, in einem Erdloch ersticken. Es ist zum Kotzen mit denen.
    »Okay«, lenkte ich ein, »wir können versuchen, es in vierzehn Tagen zusammenzukratzen, aber versprechen kann ich's nicht.«
    »Vierzehn Tage?« Wieder schrill. »Hört zu«, Heiserkeit setzte wieder ein, und Geflüster, die bedrohliche Variante, »wir geben euch drei Tage. Drei, verstanden?« Auch die rollenden Rs kehrten zurück. Ich grunzte verstehend.
    »Und danach schicken wir euch euern Willy in kleinen Portionen nach Hause. Scheibchenweise, sozusagen. Auch verstanden?«
    »Sagen wir fünf Tage. Eine Million ist ein Haufen Geld.«
    »Drrrei!« Und aufgelegt. Ich stand einen Moment brütend, wütend und frustriert. Mit solchen Leuten ist es immer ein Scheiß-Verhandeln.
    »So«,

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