Der Willy ist weg
mache.«
Ein derart jeglicher Grundlage entbehrendes Versprechen, dass ich mich abmühen musste, um ein ernstes Gesicht zu behalten. Ich hatte ungefähr so viel Einfluss auf Heiko Zimmermann wie auf diese beiden hinfälligen Tattergreise, denen kein normaler Mensch auch nur einen Autoschlüssel anvertrauen würde, die aber unbegreiflicherweise trotzdem von Washington und Moskau aus die Geschicke der Menschheit steuern durften, und zwar mit halsbrecherischer Geschwindigkeit immerzu haarscharf am Rande des Abgrundes entlang.
»Euern Willy?«, fragte Wolf und seine an zwei Flaschenböden erinnernden Augen nahmen einen ungläubigen, völlig verblüfften Ausdruck an. »Den Halbschwuli? Was sollen wir denn mit dem?«
Ich trat ins Wohnzimmer. Meine blonde Geliebte mit dem kreisrunden Mund saß Scuzzi gegenüber auf der Couch. Im Schneidersitz. Sie hatte eines meiner karierten Flanellhemden an und nicht viel mehr, und ihr Make-up von gestern war noch nicht wieder restauriert.
Scuzzi hing in einem Sessel und trug einen FrotteeMorgenmantel über einer gestreiften Pyjama-Hose. Frühstückszeit war eigentlich vorüber, zwanzig Minuten vor der Tagesschau, doch das nur nebenbei. Zwischen den beiden auf dem Couchtisch stand ein Schachbrett. Figuren und alles.
»Kein Zettel, kein Gruß, kein Kuss«, sagte sie, als ob sie mein Eintreten nicht bemerkt hätte. »Er ist einfach aufgestanden und hat sich verdrückt.«
»Ja, so ist er mit Frauen«, sagte mein Freund Pierfrancesco, mich gleichfalls ignorierend, und hielt die Flamme eines Plastikfeuerzeugs an den Kopf seiner Purpfeife, »manchmal ein richtiges Macho-Arschloch.«
»Ich wette, er hat sich noch nicht mal meinen Namen gemerkt.« Die Blonde machte einen Zug auf dem Brett.
Scuzzi tat einen Zug an seiner Pfeife.
»Ach übrigens«, meinte sie, leichthin, »Schach.«
»Moment mal«, mischte ich mich ein. »Ich musste dringend aus dem Haus und dein Name ist, äh .«
»Moment mal, Deliah«, unterbrach mich Scuzzi, unter heftigem Husten, »was soll das heißen: >Schach«
» . >Deliah<«, führte ich meinen Satz zu Ende und warf Scuzzi einen dankbaren Kuss zu.
»Ja«, bestätigte Deliah, »Schach. Und Matt in zwei Zügen.«
Scuzzi, der sich gerade mit ein wenig Calvados stärkte, hustete einen Teil davon direkt wieder aus.
»Und weißt du, was er gleich zu Anfang aus meinem Namen gemacht hat?«, fuhr sie fort, immer noch ohne mich zu beachten. »Delilah«, gab sie selbst die Antwort.
»Und er hat diesen Song von... von...«
»Tom Jones«, half ich ihr auf die Sprünge.
»...von Tom Jones angestimmt. Vor allen Leuten: Forgive me, Delilah«, sang sie, schauderhaft falsch, »I just couldn't take any mooooore ...«
»Ja, so ist er, wenn er trinkt .«, sagte Scuzzi, den Blick starr auf das Brett gesenkt und die Rechte tief ins Nackenhaar vergraben, wo es ihn intensiv zu jucken schien, ». furchtbar.«
Und, an mich gewandt: »Was ist mit Willy? Haben ihn die Eierköppe oder nicht?«
»Nett, dass du fragst«, gab ich säuerlich zurück. Ja, ich war ein wenig muffelig. Nach einer Mission wie der, die hinter mir lag, erwartet man einen etwas interessierteren Empfang als den, der mir hier zuteil geworden war. »Wo sind die anderen?«
»Charly und Hoho sind einkaufen. D.O. und Poppel stellen sich irgendwo vor. Als Rausschmeißer in 'ner Dorfdisco, wenn ich's richtig verstanden habe. Schisser ist . Wo Schisser ist, weiß ich nicht. Und Pit? Hat sich bei mir nicht abgemeldet. Habe ich noch jemanden vergessen? Egal. Und wo Willy steckt, hoffte ich eigentlich von dir zu erfahren.«
»Und ich weiß es auch nicht. Passt auf«, wandte ich mich an beide. »Ich muss eben duschen und dann wohl noch mal für 'ne Stunde weg. Beruflich. Sollte, während ich unter der Dusche stehe, das Telefon für mich gehen, sagt, ich rufe zurück. O.k.?« Sie nickten.
Bevor ich rausging, legte ich Deliah kurz den Finger unters Kinn und hob es an, damit sie mich ansah. Sie blickte recht skeptisch.
»Wirst du nachher noch hier sein?«, fragte ich mit tiefer Stimme und ließ meine Lider auf Halbmast sacken. »Ich will auf alle Fälle Revanche«, beeilte sich Scuzzi.
»Mal schauen«, antwortete sie etwas spitz. Ich küsste ihren runden Mund. Ihre Zunge züngelte.
»Kann man unter >Schach< noch rochieren?«, fragte Scuzzi. Sie löste sich von mir.
»Nein«, sagte sie fest.
»Dieses Schwein«, sagte Ragobert mit viel Gefühl zu dem Ende eines fingerdicken Drahtseils, über das er gebeugt stand wie
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