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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Post im Kasten. Charly saß allein in der Küche.
    »Die andern pennen«, sagte er. »Spät geworden, gestern.«
    »Und«, fragte ich und warf meinen Helm in die Ecke, »was herausgekriegt?«
    Er machte eine vage Kopfbewegung.
    »Wie man's nimmt. Hoho und D.O. wollten unbedingt noch mal los, alle möglichen Leute befragen.«
    Weia, dachte ich. Ausgerechnet die Schmälsten und Subtilsten der ganzen Gang, bekannt für ihre einfühlsame Interview-Technik. Wir mussten das unterbinden, bevor die Leute anfingen, in Panik durch die Hintertüre zu fliehen, sobald einer von uns nur vor dem Haus auftauchte.
    »Das hat nicht viel gebracht.«
    Überraschung, dachte ich.
    »Kristof, ich habe letzte Nacht beschlossen, alle, die persönlich mit Willy zu tun haben oder hatten, einmal etwas näher zu beleuchten. Schisser und Pit haben sich deshalb die Hütte von diesem Roth-Bichler etwas aus der Nähe angeschaut.«
    »Roth-Bichler?«, fragte ich. Freund der Familie, Vermögensverwalter, fast so was wie ein Onkel vom Willy. Hm.
    »Wohnt nicht schlecht, der Typ. In 'ner Villa unten an der Ruhr, nicht weit vom Finanzamt. Großes Haus, wenn man bedenkt, dass er allein lebt. Hat gestern Abend so was wie, 'nen Herrenabend veranstaltet. Zehn, zwölf weißhaarige alte Knacker, aber alle mit Geld. Lauter dicke Autos, manche mit Chauffeur. Blieben bis gegen eins. Danach war alles ruhig.«
    Hm, dachte ich. Großes Haus mit vielen, leeren Zimmern. Trotzdem. Und der Typ wohnte allein. Und war nicht viel größer als 'ne Parkuhr. Sinnlos, das Ganze, aber lass sie, dachte ich.
    »Bis auf die alten Knacker haben sie niemanden ein- und ausgehen sehen?«
    »Frag sie selbst, aber denk dran, sie schlafen erst seit 'ner Stunde oder zwei.«
    Ich machte mir eine geistige Notiz und verschob das Gespräch mit den beiden auf später. Never kick a sleeping dog, wie man so sagt. Sowohl Schisser als auch Pit Bull schnappten schon mal nach einem, wenn man sie weckte.
    »Und was war mit dir?«, fragte ich. Charly grinste dünn.
    »Ich?«, machte er. »Ich hatte mir gedacht, ich schau mal nach, mit wem Lazio Cinosil zur Zeit so privat verkehrt. Du weißt schon, der Schwede.«
    Ich nickte. Der >Schwede< war, muss man wissen, alles, aber kein Skandinavier. Er betrieb nach außen hin einen Lieferservice für italienische Restaurants und PizzaBuden. Original italienische Lebensmittel und Spirituosen, doch hat man seine LKW-Fahrer niemals selbst eine Kiste stemmen gesehen. Stattdessen halfen sie in der Zeit des Abladens den jeweiligen Besitzern bei der Buchführung. Ein Service, für den sie in - so munkelte man - größeren Summen Bargeld bezahlt wurden. Seinen Spitznamen hatte der Schwede von seiner irritierenden Vorliebe für hellblonde Toupets, keine wirklich glückliche oder überzeugende Wahl über einem Paar Brauen und einem Resthaarkranz in der Farbe von Dieselruß.
    »Er wohnt immer noch in diesem scheußlichen Bungalow in Breitscheid oben. Ich parke den Commo also ein bisschen weiter weg, zwischen zwei anderen Autos und auch nicht unbedingt direkt unter einer Laterne, und ich habe es mir gerade so eben gemütlich gemacht, da stehen schon vier Kerls um den Wagen herum, und einer von denen bittet mich sehr höflich, auszusteigen. Ich steige also aus und frage, was ist, und er sagt, was ich auch geantwortet hätte, nämlich: >Security.< Und ob ich nicht auf ein Viertelstündchen mit reinkommen wolle?«
    Wir sahen uns an. Keiner von uns hat jemals auch nur ein Wort mit dem Blondperückten gesprochen, geschweige denn sein Haus betreten.
    »Als die drei anderen sich alle hinter meinem Rücken postierten, wurde mir klar, dass das nicht wirklich eine Frage gewesen war.« Er goss sich einen Kaffee ein, hielt mir auch die Kanne hin, doch ich lehnte ab. Sobald ich von Scuzzis neuer Wunderdroge runterkam, wollte ich mal ein paar Stunden pofen.
    »Also zeigen sie mir den Weg, und wer empfängt mich? Der Schwede persönlich, blonder denn je. Ob ich zu ihm gewollt hätte? fragt er mich, die Freundlichkeit in Person, bittet mich hinein, macht mir was zu trinken, setzt sich mit mir in die dicksten Sessel, macht mich mit seiner Torte bekannt, kurz, seift mich so richtig schön ein. Kam dann auf diese leidige Geschichte zwischen uns und seinem Verein zu sprechen, bezeichnete die ganze Angelegenheit als ein bedauernswertes Missverständnis und versprach, alles sei vergeben und vergessen, wenn wir auch bereit wären, die Vergangenheit ruhen zu lassen und so weiter und so

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