Der Willy ist weg
Bewölkung haben sich alle bisherigen Bemühungen von Polizei und Bundesgrenzschutz, ihn zu Boden zu bringen, als vergeblich erwiesen.«
Ich wollte etwas sagen, doch Ragobert hob rasch die Hand. Das war noch nicht alles, verriet mir seine lauschende Miene.
»Die DDR-Regierung hat in einer ersten Stellungnahme zu diesem Thema in ungewöhnlich scharfer Form darauf hingewiesen, dass sie, so wörtlich, >eine Verletzung ihres Luftraumes durch Flugkörper gleich welcher Art nicht zu dulden bereit sei<. Verteidigungsminister Wörner ließ derweil verlautbaren, er werde alles in seiner Kraft Stehende veranlassen, um das Problem so schnell wie möglich aus der Welt zu schaffen.«
Edwin Knauff schaltete ab.
»Da haben wir den Salat«, meinte er bitter. »In einer Stunde kommt ein Kamerateam vom WDR. Sie wollen eine Stellungnahme. Was soll ich denen erzählen?«
Hu, hier war rasches Denken gefordert.
»Stellen Sie es als bedauerlichen Unfall dar. Wir können unmöglich zulassen, dass dieser Psychopath eine dermaßene internationale Publicity erfährt. Das wäre wahrscheinlich genau das, was er will. Nein, lassen wir ihn in seinem eigenen Saft schmoren. Vielleicht outet er sich ja, und wir kriegen ihn auf diesem Umweg zu fassen.«
Edwin Knauff sah zweifelnd drein, wie bei allen Vorschlägen, die nicht von ihm kamen. »Und so ganz nebenbei lassen Sie einfließen, dass ihr neues Restaurant plangemäß am 23. eröffnet wird.«
Da lächelte er schon wieder.
»Und ich«, ließ ich mich hinreißen, »ich garantiere Ihnen, bis zur Eröffnung habe ich den Kerl.« Vollmundig, das.
»Warten Sie's ab«, sagte ich noch, »das wird eine Riesenparty für uns alle!«
»Das wird es«, brummte er und klopfte mir auf die Schulter, »das wird es ganz bestimmt.«
»Geben Sie alles«, rief er mir noch nach, als ich schon auf der Treppe war, und ich antwortete mit einer kämpferischen Geste.
Ajeh, dachte ich, als ich auf dem Weg zum Fuckers' Place an einem Feuerwehrwagen vorbeikam, der neben den niedergebrannten Resten eben jener Leuchtsäule parkte, die noch vor nicht ganz einer Stunde ein Ende des Hungers in gerade mal sechs Tagen versprochen hatte.
Ajeh, ajeh. Das wird Ragobert wohl erneut in Depression stürzen. Andersrum betrachtet entsprach es aber eindrucksvoll meiner These.
Da ich schon mal vor Ort war, hielt ich kurz an und stieg ab, um mir den Schaden zu besehen. Zwei Feuerwehrleute in voller Montur wickelten die letzten Meter Schlauch auf die Rolle und machten Feierabendgesichter dazu. Ein Kerl in Zivil pfriemelte in gebückter Haltung in den Resten des verkohlten und zusammengesunkenen Stahlskeletts herum. Als ich näher herantrat, erkannte ich ihn und hatte am liebsten sofort kehrtgemacht. Es war mein Freund Mendenkommissarkripomülheim. Einen geschwärzten und gebogenen Glassplitter in Händen, richtete er sich auf, nahm meine Anwesenheit mit einem kurzen, scharfen, von einem knappen Nicken begleiteten Seitenblick zur Kenntnis und wandte sich wieder seinem Fund zu. In nachdenkliche Betrachtung versunken drehte er das Fragment zwischen seinen Fingern hin und her. Es war klar, dass er mich erkannt hatte, also blieb ich stehen und sah ihm so lange über die Schulter, bis er sich zu einer Äußerung genötigt fühlte.
»Ein Benzin-Brandsatz, möglicherweise«, meinte er nachdenklich. »Ungewöhnlich dünnes Glas, allerdings. War höchstwahrscheinlich von einer Plastikhülle ummantelt, die mit verbrannt ist. Seltsam«, fand er. »Sind Sie zufällig hier?«, fragte er, als ich nichts Rechtes zu sagen wusste, und schenkte mir die volle Aufmerksamkeit seiner Augen in der Farbe von altem Eis.
Ich machte eine vage Geste und eine noch vagere Miene und hoffte, damit durchzukommen.
»Wer macht so was?«, fragte ich, um von mir abzulenken und gewohnheitsmäßig immer in der ersten Reihe, wo es möglicherweise etwas umsonst gibt.
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Kommissar Menden langsam. »Doch es ist ganz gut, dass ich Sie treffe«, fuhr er fort. »Ich hätte Sie sonst aufs Präsidium bestellen müssen.« Mit zusammengekniffenen Augen spähte er durch das rußige Stück Glas hindurch in eine fahle Wintersonne, wohl um mir Zeit zu geben, mein Gewissen zu durchforsten.
Das brauchte den Rest der Woche, dachte ich bockig.
»Unsere holländischen Kollegen haben ein paar mehr Zeugen befragt und zeigen sich gar nicht glücklich. Szenen wie bei einem Bandenkrieg, sagen sie. Und, kurz vor Weihnachten, Szenen wie bei einem Bandenkrieg
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