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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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fort.«
    Phosphor, dachte ich, wie ein amerikanischer Weltkriegsveteran womöglich >Pearl Harbor< denkt.
    »Um es kurz zu machen: Sie haben anscheinend mal wieder Theater, wie es sich anhörte. Libanesen, diesmal.
    Boatpeople, mehr oder weniger, aus Beirut herausgebombt und nun entschlossen, sich hier in kürzester Zeit eine neue Existenz aufzubauen und überhaupt nicht zimperlich in ihren Methoden dabei. Wie er sagte. Und fragte, stell dir vor, ob wir ihnen nicht ein bisschen unter die Arme greifen könnten, wenn Not am Mann wäre?«
    Phosphor, dachte ich, und dann daran, dass Bandenkriege nichts für mich sind.
    Ich sagte: »Wir sind Biker, keine Söldner.«
    »Wie man's nimmt«, entgegnete er nach kurzem Nachdenken. Für ihn, schien es, waren die Grenzen fließend, und vielleicht hatte er sogar Recht. »Auf alle Fälle wollte ich ihn nicht vor den Kopf stoßen und ließ es deshalb offen und von vornherein an die Bedingung geknüpft, dass eine Hand die andere wäscht. Aber klar doch, hieß es sofort, aber immer, und zusammen könnten wir Großes erreichen und derlei Schmu. Bis ich, wo ich schon mal da war, auf die Million zu sprechen kam, die er uns möglicherweise leihen soll. Da wurde er doch sehr nachdenklich. Aber er wollte es sich überlegen. Immerhin.«
    Deliah kam herein, leicht verpennt und hinreißend in einem gestreiften Pyjama, bis mir aufging, dass es einer von Scuzzis war. Sie akzeptierte mit süßem Lächeln einen Kaffee von Charly, setzte sich graziös auf meinen Schoß und pustete in ihre Tasse.
    »Du siehst schlimm aus«, fand sie und strich leicht über meine Striemen auf Wange und Ohr. »Irgendetwas Neues über euren Freund Willy?«
    Ich schüttelte nur den Kopf. Plötzlich müde, steckte ich meine Nase in ihr Haar. Hinten, im Nacken. Sie roch nach Bett, nach Nähe, nach Ruhe, nach Sex, nach Sicherheit und nach Schlaf. Sie roch nach allem, wonach ich mich in diesem Augenblick sehnte.
    Doch »Woher wussten sie von vornherein, dass du es warst, der in dem Commodore hockte? Wir haben jetzt -wie lange - nichts mehr mit denen am Hut gehabt? Anderthalb Jahre? Anderthalb Jahre kompletter Waffenstillstand, und sie observieren uns immer noch? Das kommt mir komisch vor. Und noch was: Wie hat er reagiert, als du mit der Million um die Ecke kamst?«
    Charly winkte ab. »Könnte ein Verwandter vom Coolen Eric sein, der Schwede. Er hat so ein Zucken am Auge, deshalb kann man da nicht hinsehen, ohne nervös zu werden, doch abgesehen von dem Tick legt er eine Stoik an den Tag, da machst du dir kein Bild von. Aber mir bleibt ein fischiges Gefühl. Für all seine ScheißFreundlichkeit so plötzlich gab es eigentlich keinen plausiblen Grund, vor allem, wo seine Leute mich ja praktisch beim Schnüffeln ertappt haben. Außer, natürlich, sie schnüffeln auch die ganze Zeit schon hinter uns her und finden das normal.«
    »Seit anderthalb Jahren?«, fragte ich. »Und wir haben nichts gemerkt?«
    »Komisch«, fand er auch. »Eigentlich nicht vorstellbar.«
    »Der einzige Reim, den ich mir darauf machen kann, ist der, dass der Schwede und seine Crew uns einzuwickeln versuchen, weil sie irgendetwas zu verbergen haben. Wir beide sollten heute Abend noch mal nach Breitscheid fahren. Hast du dir das Gelände gut angekuckt?«
    Charly sah auf. Blöde Frage, sagte seine eine hochgezogene Braue zu mir.
    Mein Bett war noch warm. Deliah kroch mit mir hinein, und alles Blut verließ mein Gehirn. Es wurde anderswo gebraucht.
    Kurz bevor ich schließlich endgültig wegsackte, merkte ich noch, wie sie aufstand und ihre Sachen zusammenkramte.
    »Hsn-wasn?«, fragte ich, zu ermattet für eine distinguierte Artikulation.
    »Mittagsschicht, Hase«, antwortete sie nachsichtig. »Die Patienten der Urologie des Evangelischen Krankenhauses warten schon ungeduldig auf mich und meine heilenden Hände.«
    Krankenschwester, also. Soll keiner sagen, ich wüsste nicht, mit wem ich Tisch und Bett teile.
    Heilende Hände? Urologie? Urgs.
    »Und nein, Hase«, sagte sie, ungefragt, »ich werde ganz bestimmt keine Leckerchen aus dem Giftschrank mitbringen.«
    »Du scheinst mich zu verwechseln. Ich bin nicht Scuzzi.«
    »Das stimmt«, sagte sie nach einem Moment des Nachdenkens, so, als hätte sie etwas Zeit gebraucht, uns unter verschiedenen Aspekten miteinander zu vergleichen. Plötzlich fiel mir der Pyjama wieder ein, und Misstrauen gewann kurz die Oberhand über mein Schlafbedürfnis, und ich hob den Kopf für einen kritischen Blick und eine bohrende

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