Der Willy ist weg
meine Leute. Okay?«
Ich nickte. Das hörte sich doch ganz vernünftig an.
»Also: Euer Willy ist ein perverses, halb warmes Arschloch, das nichts anderes in seinem hohlen Schädel hat als ficken, ficken, ficken.«
Etwas einseitig und überspitzt formuliert und für eine Charakterstudie allzu sehr an der Oberfläche verweilend, doch nicht ohne wahren Kern, wie ich zugeben musste. Dabei gleichzeitig aber überhaupt nicht das, was ich hatte hören wollen. Noch ehe ich etwas Entsprechendes äußern konnte, keuchte Wolf schon weiter.
»Wo er ist, wo er sein könnte, ich weiß es nicht. Immer noch nicht. Keine Ahnung. Und es ist mir auch scheißegal. Ehrlich.«
Missmutig und im vollen Bewusstsein, übervorteilt worden zu sein, machte ich mich auf ins Camp, seine Jungs holen.
Ragobert war blass, sehr blass. Die Hände in abwehrender Haltung vor sich, wich er Schritt um Schritt zurück bis an die Stirnwand seines Bürocontainers.
»Ich bin's nur, Herr Knauff«, sagte ich, und er atmete erleichtert aus.
Ich kam geradewegs aus dem Wald, noch in voller Kriegsbemalung, und hatte mich mit der XS, die immer noch fuhr, wenn auch mit heftigen Aussetzern, auf der für den Wachmann blinden Seite an einem Möbelwagen vorbeigequetscht und sie direkt vor dem Container geparkt. Wenn ich mir schon eine Nacht ohne greifbares Ergebnis um die Ohren schlug, könnte ich wenigstens jemanden dafür bezahlen lassen, das war die Idee.
Ich zog mir Helm und Sturmhaube vom Kopf, um mein blutig gerissenes Ohr zur vollen Wirkung zu bringen.
»Fast hätte ich ihn gehabt«, stieß ich hervor. »Um ein Haar! Ich kann es nicht fassen, dass er mir noch mal entwischt ist!« Frustriert begutachtete ich einen Riss im Knie meiner Tarnhose, aus dem eine frische Schürfwunde herausleuchtete.
»Gemäß meiner Spiralen-Theorie habe ich mich an dieser beleuchteten Litfasssäule an der Kölner Straße auf die Lauer gelegt. Wissen Sie, dieses Ding, auf dem steht: >Nur noch 6 Tage Hunger Er wollte etwas einwenden, doch ich ließ ihn nicht.
»Also, zu Ihrer Beruhigung: Ihre Säule steht noch. Dafür hat sich dieser Dreckskerl an meiner Maschine ausgetobt.«
Mittels viel sagendem Deutens mit dem Kinn drängte ich ihn zum Fenster. »Mit einer Axt. Ich konnte ihn stoppen, doch aufhalten konnte ich ihn nicht. Ich bin ihm noch nachgerannt, aber im Aubergwald hat er sich in ein Tannendickicht verdrückt, und kurze Zeit später habe ich seine Spur verloren, gottsverdammich.« Ich ging rüber zum Waschbecken, seifte mir die Visage ein und verbrauchte zwei Dutzend Papierhandtücher, bis ich die grüne Schminke runter hatte und die Striemen, die mir der Kiefernast verpasst hatte, sichtbar wurden. »Immerhin kann ich die Beschreibung, die uns Ihre beiden Angestellten von dem Attentäter geliefert haben, einigermaßen bestätigen. Auch wenn er mir etwas größer vorkam. Und schwerer, massiger.«
Ragobert sah in brütendem Schweigen hinaus auf das Wrack meiner Yamaha.
»Setzen Sie die Reparatur auf die Rechnung«, seufzte er schließlich.
Ich stieß die rechte Faust Richtung Decke, machte einen Riesensatz in die Höhe, schlug o-beinig die Hacken zusammen und gellte Yipppieee!
Innerlich, selbstredend. Nur innerlich. Äußerlich blieb ich geschäftsmäßig nüchtern.
»Das macht jetzt auch keinen Unterschied mehr«, schickte er resigniert hinterher.
Er klang so fertig, dass ich mir spontan Sorgen machte.
»Gibt es irgendwelche Neuigkeiten, von denen ich noch nichts weiß?«, fragte ich.
»Ja haben Sie denn in den letzten 24 Stunden keine Nachrichten gehört?«, fragte er zurück.
Ich dachte kurz nach und musste dann verneinen.
Seufzend ging er zu seinem Schreibtisch und schaltete einen Cassettenrecorder ein, spulte zurück zum Anfang und presste >Play<.
Ein Nachrichtensprecher äußerte sich in unverwechselbarem, sonorem Sprachfluss zu einem schweren Verkehrsunfall auf der A3, bei dem insgesamt sieben Menschen zum Teil schwer verletzt worden waren und nach Angaben der Polizei ein Sachschaden von . Ich sah Ragobert fragend an, doch er bedeutete mir, noch einen Augenblick Geduld zu haben. Nach einem Atemzug Pause begann der Sprecher die nächste Nachricht zu verlesen.
»Der führerlose Fesselballon, der gestern Morgen den Flugbetrieb des Düsseldorfer Flughafens für Stunden zum Erliegen gebracht hat, treibt nun mit der Windströmung immer weiter nach Osten ab. Nicht zuletzt aufgrund der vorherrschenden hochnebelartigen
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