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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Frage, doch da warf sie mir schon von der Türe her eine Kusshand zu und war verschwunden.
    Zwei Typen in weißen Jacken bastelten noch ein wenig an einem langen Tisch voller Gläser, Teller, Kerzenleuchter und so fort herum und verzogen sich, als der Schwede hereingesegelt kam, zusammen mit einszweidreivier -fünf anderen Kerlen, allesamt zwanglos gekleidet. Reichlich. Viel zwangloser als Hawaiihemden geht nicht, finde ich. Augenblicklich knallten die Korken, und Schampus schäumte in Gläser, die kurz in die Luft gehalten wurden, während der Schwede etwas in die Runde rief und dann hieß es Kopp in'n Nacken und hau wech den Scheiß.
    Draußen, rings um den Bungalow, schlenderten die Beine des Sicherheitspersonals in konzentrischen Kreisen durch die flachen Lichtkegel der Rasenbeleuchtung. Es waren, soweit ich es ausmachen konnte, mindestens drei, und sie rauchten eine Menge, was mich mit einigem Neid erfüllte. Ab und an trafen sie aufeinander, wechselten ein paar Worte, boten einander Zigaretten an, gaben sich gegenseitig Feuer, und dann schlenderten sie weiter, ebenso wachsam wie gelangweilt. Wahrscheinlich sehnten sie ein Ende der Party herbei, doch das konnte dauern, denn bis jetzt hatte man noch nicht mal die Suppe aufgetragen.
    Doch erst mal kamen die Damen. Allesamt so blond, wie die Kerle - bis auf den behüteten Gastgeber - dunkel waren. Und wieder floss die Brause.
    Mir wurd's, ehrlich gesagt, ein wenig öde. Es gibt bequemere Standorte als zwanzig Meter über Grund auf halber Höhe eines Überland-Strommastes, die beiden zusätzlich noch ein schweres Nachtglas haltenden Arme um einen Eisenträger geschlungen wie um den Hals einer Geliebten, die Füße unsicher auf frostigen Leitersprossen und ganz allgemein leicht zittrig in einem stetigen, beständig und gleichmäßig Körperwärme abtransportierenden Nachtwind.
    Doch, es gibt bequemere Standorte, und trotzdem blieb ich, bis kurz nach dem Hauptgang die ersten Entgleisungen zu beobachten waren. Die ersten Gläser umfielen, die erste Bluse geöffnet wurde, die erste der Damen unter dem Tisch verschwand, zu großem Hallo.
    Dann erst entschied ich, dass hier nichts Ungewöhnliches mehr passieren würde.
    Charly wartete unten auf mich.
    »Und, was gesehen?«, wollte er wissen.
    Ich tanzte mit den Füßen einen kleinen Tangorhythmus, um die Taubheit daraus zu verscheuchen, und meine Zähne klapperten wie Kastagnetten dazu.
    »Kalt, da oben?«
    Ich schlug mir die Arme um den Oberkörper, und Raureif rieselte von meiner Lederjacke. Weniger wäre mehr gewesen, sagte ich mir. Weniger an Beobachtung.
    Wir hasteten einen schmalen Bachlauf entlang zurück zum Commo, den wir im Schatten eines verlassenen Gehöftes geparkt hatten, und es dauerte zehn Minuten Fahrt bei voll aufgedrehter Heizung und Gebläse, bis ich mein Zähneklappern halbwegs gebändigt bekam.
    »Sie feiern 'ne Party, drei Mann strolchen außen herum durch den Garten, einer sitzt drinnen an einem Schreibtisch und telefoniert eine Menge. Doch abgesehen von den vieren, würde ich mal sagen, ist da von Nervosität oder erhöhter Wachsamkeit keine Spur. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Schwede zur Zeit ernsthafte Schwierigkeiten mit Libanesen oder sonst wem hat, sonst würde er sich nicht unter hundert Lampen bei offenen Jalousien volllaufen lassen. Jeder halbwegs sichere Schütze hätte ihn von da oben, wo ich war, problemlos erwischen können.«
    »Das kapiere, wer will«, sagte Charly.
    Der Briefträger schellte mich aus dem Bett. Ich hustete mich den Weg die Treppe hinunter, ich hustete, als ich die Türe aufzog, ich hustete dermaßen, dass der Bote zwei Schritte zurück machte und den Wisch, den er eigentlich unterschrieben haben wollte, selber abzeichnete, bevor er sich eilig und grußlos entfernte.
    44 Fieber und 'ne beidseitige Lungenentzündung, so fühlte ich mich.
    Na, was hatten wir denn? Ein Einschreiben für Hoho; sicher wegen einer verpassten Rate für seine blöde Harley. Telefonrechnung, Hein-Gericke-Katalog, ein von zarter Hand adressierter Brief für Charly (kein Absender), und auch kein Absender auf dem Brief für mich. Ich wusste schon, was drin war, ehe ich ihn auch nur aufgemacht hatte. Ja, ich war mir so sicher über den Inhalt, dass ich regelrecht zögerte, ihn überhaupt zu öffnen. Schließlich legte ich ihn ungeöffnet oben auf die restliche Post auf den Küchentisch und setzte mir erst mal einen Tee und eine Brühe auf.
    Der Brief sah mich an. Ein Lebenszeichen, das

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