Der Willy ist weg
nichts«, unterbrach ich ihn. »Doch«, korrigierte ich mich dann selbst und zog Rotz durch die Nase hoch. »Ich meine, wie sollten uns dem Schweden auf die einzige unverdächtige Art nähern. Und gleichzeitig das Lösegeld bereitstellen, bevor wir weitere Körperteile von Willy geschickt bekommen. Wir sollten also noch mal nachfragen, was mit dem Kredit ist. Und dazu wäre es schlau, wenn zwei von uns da rausfahren und bei der Gelegenheit einfach noch mal die Augen offen halten. Ich nehme an, wir kriegen mehr zu sehen, wenn er uns freiwillig ins Haus lässt, als wenn wir versuchen, es zu stürmen.«
Oh, was fanden sie das alle Scheiße.
»Oha«, machte der Schwede und wich mit ängstlicher Miene zurück, »oha, das hört sich aber ernst an«, sagte er dann und machte noch einen Schritt rückwärts, während ich mich weiter gegen den Türrahmen stützte und hustete wie einer, der gut beraten wäre, seine Letzten Dinge zu ordnen.
»Was ist mit ihm?«, fragte er Charly. Von Boss zu Boss. »Er sieht nicht gut aus. Er hat doch nicht diese neue Krankheit, diese Schwulenpest oder so was?« »Bisschen erkältet«, keuchte ich.
»Könnte auf eine Immunschwäche hindeuten, das habe ich erst neulich im >Spiegel< ...«
»Ich bin nur etwas erkältet, weil ich gestern ...« sagte ich laut, bevor mich eine erneute Hustenattacke davor bewahrte, den Satz mit >auf dem Strommast hinter Ihrem Haus Ihre kleine Orgie ausgespäht habe< beenden konnte.
»Ich habe ihm auch geraten, sich ins Bett zu legen«, meinte Charly, »aber Kristof nimmt sich alles so zu Herzen.«
»Also gut.« Der Schwede, mit weißblonder, halb rund geschnittener Ponyfrisur heute, Modell ABBA, bat uns mit einer fließenden Handbewegung in sein Wohnzimmer. Was heißt uns. Er bat Charly. Was mich anging, ließ er mich spüren, war die Schwelle zum Raum eigentlich schon ein paar Meter weiter, als er mich gerne hätte.
Ich brauchte eh noch den Türrahmen als Stütze, also blieb ich erst mal, wo ich war und wo ich zufällig auch den zentralen Flur des Hauses im Auge behalten konnte, und keuchte mir einen zurecht. Der Bodyguard, der uns eingelassen hatte, wich allerdings, bis auf den Respektabstand, den mein Auswurfflug angeraten erscheinen ließ, nicht von meiner Seite. Mit so einer soldatischen Haltung. Stramm. Er sah ein bisschen aus wie einer, der sich in Zivil nie so recht wohlfühlt. Auf eine militärische Art fit und auf eine waffentragende oder aber kampfsportgestählte Art herausfordernd selbstbewusst. Mediterran mit einem unerklärlichen Stich ins Amerikanische. Und der Schwede, selbst mit dem Bäffchen, wirkte wie ein New Yorker Gangster aus einem Scorsese-Film. Es musste seine Auswahl an Hemden sein. Er mochte seine Farben, kein Zweifel, und er mochte sie laut.
Wieder mal fiel mir auf, dass kein Mensch so recht zu wissen schien, woher er und seine Leute eigentlich kamen. Sein Name, wenn es denn der richtige war, half auch nicht weiter. Lazio Cinosil. Nicht so einfach auf der Landkarte zu platzieren wie >Franz-Joseph Amigofilzlhuber<. Oder, wo wir schon mal dabei sind, >Klärchen Kazmierzak ihm Jupp<. Den vonne Kreuzstraße. Wohnt getz aber drüm, hinterde Bahn. Müsse kennen. Der mittat appe Bein. Kennt jeder. Spricht sonn bissken komisch. Als wärer nich von hier. Weiße getz?
»Ich bin ein höflicher Mensch«, begann der Schwede. »Da könnt ihr jeden fragen.«
Bis auf die drei Libanesen, dachte ich. Da kämen wir ein bisschen spät.
»Und ich bin eigentlich immer bereit, zu helfen«, fuhr er fort. Er bedeutete Charly, sich vor ihm auf die andere Seite eines flachen Glastisches zu setzen, während er selbst sich recht lässig auf ein Ledersofa fläzte und das zu erwartende >Aber< noch eine Weile in der Luft hängen ließ. Aller sich aufbauenden Spannung zum Trotz hustete ich stillvergnügt weiter vor mich hin.
»Aber«, kam es, »ich bin auch Geschäftsmann. Und da fühle ich mich doch verschaukelt, wenn da ein paar Typen versuchen, mir mit einer an den Haaren herbeigezogenen Geschichte eine Million aus dem Kreuz zu leiern ohne entsprechende Sicherheiten.«
Mir verschlug es kurz den Husten.
Und Charly knetete es für einen Moment eine tiefe Falte zwischen die Brauen.
»Moment mal«, sagte ich.
»Wieso«, begann Charly und brach wieder ab.
Der Schwede räkelte sich auf seinem Sofa und sah auf eine mitleidige Art angepisst drein. »Eine Million«, schnaubte er.
»Eine Million. Wie wollt ihr die jemals zurückzahlen?«
»Das ist leicht«,
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