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Der Willy ist weg

Der Willy ist weg

Titel: Der Willy ist weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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gestern. Ich las sie noch mal. MASSAKER IN TIEFGARAGE.
    »Wir werden«, schrie Charly und zog ein Bein an, um die Küchentür aus den Angeln zu treten, doch ich bekam ihn mit einer raschen Geste und einem strengen Blick so gerade noch gestoppt. Zugluft könnte in meinem Zustand das Ende bedeuten.
    »Weiß einer von euch irgendetwas über dieses Massaker?«, fragte ich, in den Raum hinein. Ich glaubte nicht an einen Zusammenhang, zumindest nicht mit Willy. Sondern . hatte Ahnungen. Manchmal werde ich regelrecht geplagt von den Dingern.
    »Ja, da war was im Fernsehn ...«, sagte Scuzzi. Wer sonst. Keiner aus dem ganzen Haushalt verbrachte auch nur annähernd so viel Zeit vor der Mattscheibe wie unser Pierfrancesco. »Irgendwas in Duisburg .« Er hätte der Bestinformierte von uns sein können, ein wandelndes Lexikon, eine lebendige Nachrichtenbörse, ein Quell fesselnder Geschichten und Neuigkeiten aus aller Welt, doch bevorzugte er offen die bunte Seichtigkeit der Privaten, und dann war da noch das Problem, dass das Überangebot an Informationen bei ihm auf eine eher begrenzte Speicherkapazität stieß. »Tiefgarage oder so.« Folglich siebte er. Von Hand, wollte mir manchmal scheinen. »Drei Tote, glaub ich«, sagte er. »Ungefähr.
    Umgemäht in Chicago-Manier, regelrecht hingerichtet. Irgendwelche Südeuropäer, meine ich. Wartet .« Wir warteten. »Libanesen. Ja, jetzt weiß ich's wieder. Drei Libanesen, kaltblütig über den Haufen geschossen. Wahrscheinlich eine Abrechnung unter Landsleuten, vermutet die Polizei. So was in der Art.«
    Womit die ausgelassene Stimmung des Schweden wohl geklärt wäre. Nett, uns um Hilfe zu bitten, aber er und seine Leute schienen auch alleine ganz gut klarzukommen. Oder war das nichts als ein Hinweis gewesen, eine versteckte Warnung, uns ein für allemal aus seinen Belangen herauszuhalten? Wenn, dann musste er sich verdammt sicher fühlen. Sicher genug, um jetzt einen Erpresserbrief quasi vom Briefkasten an der Ecke loszuschicken? Mit 'nem Finger drin? Und dieser Schlagzeile? Also, die Methode passte zum Erscheinungsbild. Doch die Aussicht auf eine solche Gegnerschaft war erschreckend. Für mich. Charly und den meisten anderen schien sie gerade recht zu kommen. Rings um den Küchentisch brodelte es nur so vor Wut und Tatendrang.
    In mir selbst brodelte das Fieber. Die Stunde auf dem Mast hätte ich mir besser geklemmt.
    »Du siehst scheiße aus, Kristof«, fand Poppel. Bei jedem anderen hätte das möglicherweise milde besorgt geklungen, bei Poppel wirkte es wie ein kaum verhehlter Vorwurf. »Als ob du bald abkackst.« Seit Amsterdam schien er zu glauben, er habe etwas bei mir gut und könne sich noch mehr als sonst herausnehmen, doch wenn ich nur eine Sekunde drüber nachdachte, hatten er und seine große Schnauze mich weitaus öfter in Schwierigkeiten gebracht, als dass er mir aus meinen herausgeholfen hätte, und somit schuldete ich ihm nichts. Ich schenkte ihm einen Blick und merkte ihn mir vor.
    »Also«, fragte Pit Bull gepresst in die Runde, bevor er einen Teppich von Rauch auf den Küchentisch legte, in dem Willys Finger aussah wie eine Momentaufnahme von einem Schlachtfeld, »die Frage ist doch: Was machen wir jetzt?«
    Alle sahen Charly an, der immer noch herumtigerte auf der Suche nach etwas zum Zerschmettern, und ich glaube, wenn er in diesem Moment gesagt hätte: >Wir trommeln alles zusammen, fahren nach Breitscheid und legen den Bungalow des Schweden in Schutt und Asche!<, hätte ich einen Wimpernschlag später allein am Tisch gesessen.
    Ich hob eine Hand. Gott, mein Denken war nicht so klar, wie es sein könnte, und gut bei Stimme war ich auch nicht, genauso wenig wie bei Kräften. Doch ich sah, dass Charly überfordert war und drauf und dran, sich hinreißen zu lassen. Er macht einen tollen Anführer, keine Frage, doch manchmal braucht es auch einen guten Bremser, und dafür kam mein Befinden wie gerufen. Es hielt mich von allen Aufgeregtheiten zurück.
    Ich sagte: »Wir wollten schon Amsterdam niederbrennen, wegen einer holländischen Briefmarke. Dieser Stempel aus Mettmann kann genauso gut eine Finte sein. In dem Fall müssten die Entführer allerdings bestens über unsere Absichten und Vermutungen informiert sein. Doch woher das? Denkt da mal drüber nach.«
    Die Adern an Charlys Hals schwollen an, bis man seinen Puls nur vom Hinschauen zählen konnte. Er boxte sich in die offene Hand, dass einem die Hand Leid tat.
    »Du meinst .«, begann er.
    »Ich meine gar

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